Die italienische Politik streitet über mögliche Auswege aus der Flüchtlingskrise. Aus Protest gegen die schleppende Umverteilung von Flüchtlingen aus Italien denken einige in Rom offenbar an die Verteilung von temporären Visa an Migranten. Damit könnten bis zu 200.000 Migranten Italien verlassen und ihre Angehörigen in anderen EU-Ländern erreichen, heißt es in Rom nach Medienangaben.

"Die Aussicht, dass vorübergehende Visa verteilt werden, ist eine Möglichkeit, über die ich mit Innenminister Marco Minniti gesprochen habe und die jetzt von der Regierung geprüft wird", berichtete Senator Luigi Manconi, Präsident der parlamentarischen Kommission zum Menschenrechtsschutz. Bereits 2011 hatte die Regierung von Silvio Berlusconi an tausende tunesische Migranten aus humanitären Gründen Visa vergeben.

Auf die Frage, ob die Vergabe der Visa eine Reaktion Italiens auf die schleppende Umsetzung des Relocation-Programms sei, antwortete Manconi: "Es ist keine Drohung, doch angesichts eines tauben Europas könnte die Regierung andere Schritte als eine illegale Initiative wie eine Hafensperre für Flüchtlingsschiffe ergreifen", berichtete Manconi.

Die angeblichen Pläne der Regierung lösten in Rom hitzige Diskussionen aus. "Auch in dieser schwierigen Zeit muss man einen klaren Kopf bewahren. In Europa gewinnt man nicht mit einem Kraftakt die Aufmerksamkeit der europäischen Leader. Der einzig mögliche Weg ist jener der Diplomatie und des Dialogs", erklärte die Europa-Abgeordnete der rechtskonservativen Forza Italia, Lara Comi.

Der italienische Außenminister Angelino Alfano hat am Montag Medienberichte dementiert, laut denen die Regierung in Rom die Verteilung von temporären Visa an Migranten plane. "Dieses Thema steht nicht auf der Tagesordnung. Wir verfolgen eine globale Strategie, die zu einer europäischen Kooperation im Umgang mit der Flüchtlingskrise führen soll", betonte Alfano nach Medienangaben vom Montag.

"Temporäre Visa für Migranten sind eine Lösung, wenn die EU-Länder sich weiterhin weigern, sich am Relocation-Programm zu beteiligen", betonte Elisabetta Gualmini, Politikerin der Demokratischen Partei (PD) um Ex-Premier Matteo Renzi.

Der italienische Außenminister dementiert zudem, dass Rom die Verlängerung der EU-Marine-Mission "Sophia" vor Libyen blockiere. "Wir werden das Thema der Verlängerung der Mission bis zum 27. Juli besprechen", meinte Alfano. Das aktuelle Mandat von "Sophia" läuft noch bis zum 27. Juli.

EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini dementierte, dass es Probleme mit der Verlängerung der "Sophia"-Mission gebe. Die Verhandlungen zur Mandatsverlängerung seien in einer fortgeschrittenen Phase, sagte die Italienerin. Rom beharrt darauf, dass auch andere EU-Staaten ankommende Flüchtlinge aufnehmen.