Nach den überraschenden Äußerungen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zur "Ehe für alle" könnte Österreichs Nachbarland möglicherweise noch vor der Bundestagswahl im September homosexuelle Ehen erlauben. Noch in dieser Woche wird es eine Parlamentsabstimmung dazu geben. SPD-Chef Martin Schulz hatte zuvor angedeutet, dass die SPD in dieser Frage zu einem Koalitionsbruch bereit wäre. Merkel hat daraufhin für die Bundestagsabstimmung über die Ehe für alle den Fraktionszwang in der CDU/CSU aufgehoben.
Die CDU-Chefin sagte am Dienstag nach Teilnehmerangaben in der Sitzung der Unionsfraktion, es gehe bei der Abstimmung um eine Gewissensentscheidung. Deswegen könnten die Abgeordneten frei abstimmen.
Lunacek drängt Kurz
In Österreich nützen nun die Grünen diese deutsche Entwicklung, um auch die ÖVP zur Zustimmung für die Homo-Ehe zu drängen. Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek postete auf Facebook ein Wahlplakat, das eine Fotomontage von ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Kanzlerin Merkel vor den Regenbogenfarben zeigt. Dazu der freche Slogan: "Hör' auf die Mutti!" Dazu schreibt Lunacek: "Die #EhefürAlle kostet nichts. Sie tut niemandem weh. Selbst Bundeskanzlerin Merkel ist dafür offen. ❤️ 🌈
Also Herr Sebastian Kurz, trauen Sie sich!"
Das Posting wurde binnen kurzer Zeit mehrere 10.000 Mal aufgerufen. Allerdings gab es auch Kommentare, die die (gängige) Bezeichnung "Mutti" für Merkel als respektlos und frauenfeindlich kritisieren.
SPÖ, Grüne und Neos treten in Österreich für die Homo-Ehe ein, FPÖ und ÖVP sind dagegen. Und die Volkspartei scheint bei ihrer Haltung zu bleiben: "Wir kommentieren den deutschen Wahlkampf nicht, außerdem kann man bei uns bereits Kinder adoptieren und sich am Standesamt trauen. Unser Programm kommt erst im September", erklärte ein Sprecher von ÖVP-Chef Kurz am Rande eines Österreich-Gesprächs des Außen- und Integrationsministers. Auch aus dem Umfeld des Vizekanzlers Wolfgang Brandstetter heißt es, dass man keinen Grund sehe, die Linie zu verändern.
In Deutschland hatte die Union die völlige Gleichstellung homosexueller Partnerschaften bisher abgelehnt. SPD, Grüne und FDP machen sie zur Bedingung für eine Koalition - und auch in Teilen der CDU gibt es Zustimmung: So schrieb der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann kurz nach Merkels Äußerungen auf Twitter: "Danke Angela Merkel! Wie befreiend! Von mir aus könnten wir gerne noch diese Woche abstimmen!"