Fast 100 Tage vor der Bundestagswahl in Deutschland liegt die SPD in Umfragen abgeschlagen hinter der Union. Auf ihrem Sonderparteitag wollen die Sozialdemokraten nicht nur ihr Wahlprogramm beschließen. Sie wollen sich auch Mut machen für die Aufholjagd - mit prominenter Hilfe.
Die SPD sieht sich drei Monate vor der Bundestagswahl trotz schlechter Umfragewerte gut aufgestellt und will mit konkreten Angeboten an die Wähler zur Aufholjagd blasen. Kanzlerkandidat Martin Schulz rechnet weiter mit einem Sieg seiner Partei. "Am Ende werden wir vorn liegen", sagte der SPD-Chef vor dem Sonderparteitag an diesem Sonntag in Dortmund. Bundesjustizminister Heiko Maas bekräftigte: "Unser großes Thema ist und bleibt Gerechtigkeit". Die große Zustimmung für das Steuerkonzept zeige: "Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, wer Inhalte und Substanz liefert."
Schröder und die Aufholjagd
Die SPD beschließt in Dortmund ihr Wahlprogramm. Altkanzler Gerhard Schröder will mit einem Auftritt in der Westfalenhalle der Parteibasis Mut machen für den Endspurt im Kampf um Stimmen.
Es seien noch 13 Wochen bis zur Wahl, sagte Schröder am Sonntag beim SPD-Parteitag. "Das ist eine lange Zeit, um die Stimmung zu drehen und Stimmen für die Sozialdemokraten zu bekommen."
Der Altkanzler erinnerte an seine Aufholjagd im Bundestagswahlkampf 2005. Damals hätten die Meinungsforscher die SPD noch wenige Wochen vor der Wahl mehr als 20 Prozentpunkte hinter der Union gesehen. Am Ende habe es "knapp" nicht für den Wahlsieg gereicht, die SPD einen Prozentpunkt hinter CDU/CSU gelegen. Die Bundestagswahl sei mitnichten entschieden. "Nicht Journalisten, nicht Umfragemenschen entscheiden Wahlen. Es sind immer noch die Wählerinnen und Wähler."
Schulz sagte den "Ruhr Nachrichten": "Wir sind sehr geschlossen, haben nicht nur Ausdauer und Kampfgeist, sondern auch ein hervorragendes Konzept." Die SPD lege präzise Pläne vor, CDU und CSU hätten keine. "Die Union ist blank. Das werden die Wählerinnen und Wähler Frau Merkel nicht noch einmal durchgehen lassen."
Unbeeindruckt von schwachen Werten
Generalsekretär Hubertus Heil gibt sich unbeeindruckt von den schwachen Umfragewerten für die SPD. Das Rennen sei "vollständig offen", sagte er der "Saarbrücker Zeitung". 30 Prozent plus X seien drin. Im ZDF-"Politbarometer" war die SPD zuletzt auf 25, die Union auf 39 Prozent gekommen.
Die SPD hat unter anderem ein Renten- sowie Steuerkonzept vorgelegt, über das die Parteibasis in Dortmund abstimmt. Untere Einkommen und die Mittelschicht sollen steuerlich entlastet und Top-Verdiener sowie sehr große Erbschaften stärker belastet werden. Die Union streitet noch um ihre Steuerpläne. Die CDU will den "Soli" nach bisherigen Plänen schrittweise zwischen 2020 und 2030 abbauen, die CSU schneller. Offen ist auch das Entlastungsvolumen.
Die Sozialdemokraten nennen jetzt auch eine Frist für den kompletten Wegfall des Solidaritätszuschlags ab 2020. "Wir wollen den "Soli" nicht allein für kleine und mittlere Einkommen abschaffen, sondern nach einer Übergangsperiode von vielleicht zwei oder vier Jahren für alle", sagte Parteivize und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Schulz kritisierte den Rentenkurs von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. "Wer jetzt wie Frau Merkel sagt, wir brauchen bis 2030 nichts bei der Rente zu tun, nimmt einen deutlichen Anstieg der Beiträge und ein Absinken des Niveaus in Kauf", sagte er der "Passauer Neuen Presse".
Größtes Reizthema dürfte bei dem Parteitag neben Forderungen, das künftige Rentenniveau auf bis zu 50 Prozent anzuheben, die Vermögensteuer sein. Mehrere SPD-Landesverbände sowie SPD-Chef Schulz lehnen den Vorstoß von Parteilinken und Jusos ab, die Steuer ins aktuelle Wahlprogramm aufzunehmen.
Große Koalition "keine Dauerveranstaltung"
Nach Einschätzung von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hat sich die Zusammenarbeit mit der Union im Regierungsbündnis erschöpft. Die Große Koalition sollte aus seiner Sicht keine Dauerveranstaltung werden. "Zum Ende der Regierungszeit mit der Union wird in aller Klarheit deutlich, dass wir an die ideologischen Grenzen von CDU und CSU stoßen, die einer erfolgreichen Fortsetzung über 2017 hinaus entgegenstehen", sagte Oppermann der dpa.
Allerdings ist die "Groko" nach derzeitigen Umfragezahlen wahrscheinlich die einzige Chance für die SPD, Regierungspartei zu bleiben. Weder für Rot-Rot-Grün mit Linken und Grünen noch für eine Ampel mit FDP und Grünen würde es aktuell reichen.
Die SPD will nach den Worten von Maas bei einem Wahlsieg ihre Gleichstellungspolitik für Homosexuelle fortsetzen: "Die SPD wird keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Ehe für alle nicht verankert ist", sagte er dpa. Die Grünen halten der SPD vor, gemeinsam mit der Union Gesetzentwürfe der Opposition für die Ehe für alle im Rechtsausschuss des Bundestages zu blockieren.