In Rumänien haben sich die Querelen zwischen dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Sorin Grindeanu und dem Parteichef der Sozialdemokraten (PSD), Liviu Dragnea, am Mittwoch in eine handfeste Regierungskrise verwandelt:
Verzögerungen bei Umsetzung des Programms
Das erweiterte Leitungsgremium der PSD sprach sich am späten Abend nach knapp sechsstündigen Beratungen einstimmig dafür aus, Grindeanu und seinem Kabinett die politische Unterstützung zu entziehen. Davor hatte schon der linksliberale Koalitionspartner ALDE für den Abgang der Regierung gestimmt.
Formell warfen die Sozialdemokraten ihrem Regierungschef, für den sie noch vor wenigen Wochen voller Lobes waren, zahlreiche Verzögerungen bei der Umsetzung ihres Regierungsprogramms vor. Unter anderem wurden sogar Zielsetzungen erwähnt, deren Umsetzung erst für das kommende Jahr geplant war. Politbeobachter sind sich einig, dass das Zerwürfnis zwischen dem Ministerpräsidenten und seinem wegen Wahlbetrugs vorbestraften Parteichef vor allem von Grindeanus Zurückhaltung in puncto weiterer Strafrechtsänderungen bzw. Verwässerungen der Antikorruptionsgesetzgebung nach den massiven Straßenprotesten vom Jahresanfang herrührt - Änderungen, auf denen Dragnea angesichts seines zweiten vor Gericht anhängigen Korruptionsverfahrens wiederholt bestanden hatte.
Grindeanu selbst warf der PSD-Führung eine "ungeheuerliche Verleumdungskampagne" vor und machte seinen Abgang vom Rücktritt des Parteivorsitzenden abhängig - schließlich habe Dragnea alle PSD-Minister persönlich bestimmt und trage folglich eine Mitverantwortung für eventuelle Misserfolge einer Regierung, die immerhin seit kaum einem halben Jahr im Amt sei. Vor der Sitzung des Exekutivkomitees der PSD hatte der 43-Jährige Journalisten offenbart, eine "öffentliche Hinrichtung" zu erwarten.
"Ich trage Verantwortung für Rumänien"
PSD-Chef Liviu Dragnea teilte anschließend auf einer Pressekonferenz mit, dass sämtliche Minister der Koalitionsregierung geschlossen zurückgetreten seien und auch Grindeanu den Schritt in Aussicht gestellt habe. Den Beschluss der PSD und ALDE, die eigene Regierung abzusägen, bezeichnete Dragnea als "mutiges Novum". Es sei immerhin besser, als eine Regierung "das Land in den Ruin treiben" zu lassen. Man werde ein neues Kabinett zusammenstellen und das gemeinsame Regierungsprogramm Punkt für Punkt umsetzen, so Dragnea. Ihm zufolge wollen die beiden Parteien noch am Donnerstag in der Früh Staatspräsident Klaus Johannis (Iohannis) schriftlich über ihren Beschluss zum Schicksal der Regierung Grindeanu unterrichten.
Der Regierungschef lehnte indes wenig später einen Rücktritt ab. "Ich trete nicht zurück, ich trage Verantwortung für Rumänien", erklärte der 43-Jährige. Er klammere sich nicht an sein Amt, werde jedoch erst zurücktreten, wenn zum einen das Staatsoberhaupt nach Konsultationen mit den Parlamentsparteien "Garantien" abgebe, dass er abermals einen Sozialdemokraten mit der Regierungsbildung beauftrage. Zum anderen fordere er den zeitgleichen Abgang Dragneas von der PSD-Spitze, so Grindeanu.
Ihm dürfte freilich als Nächstes aller Wahrscheinlichkeit nach auch der Ausschluss aus seiner Partei drohen. Als aussichtsreichste Nachfolgerin auf sein Amt als Regierungschef wurde am Mittwochabend die bisherige Innenministerin Carmen Dan gehandelt - eine enge und langjährige Vertraute Dragneas.