Die EU-Kommission hat erstmals Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen, Tschechien und Ungarn wegen fehlender Aufnahme von Flüchtlingen eingeleitet. Die EU-Kommission erklärte, trotz entsprechender wiederholter Aufforderungen hätten die drei Länder entgegen ihrer rechtlichen Verpflichtungen noch nicht die notwendigen Handlungen zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Italien und Griechenland ergriffen.
"Die Umverteilung (Relocation) ist keine Option", sagte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos. Es sei eine rechtliche Verpflichtung, die durchgeführt werden müsse. Es habe "genug Verzögerungen und Diskussionen" gegeben, "jetzt ist die Zeit zum handeln", sagte der EU-Kommissar am Dienstag in Straßburg. Avramopoulos widersprach der Auffassung, dass die EU mit ihrer Flüchtlingspolitik gescheitert sei.
Das Tempo der Flüchtlings-Umverteilungen ist im laufenden Jahr nach Angaben der EU-Kommission gestiegen. Bis zum 9. Juni seien von den knapp 100.000 zu verteilenden Flüchtlingen insgesamt 20.869 Flüchtlinge umverteilt worden, davon 13.973 aus Griechenland und 6.896 aus Italien.
Polen, Ungarn und Tschechien hätten seit einem einem Jahr nichts mehr bei der Flüchtlingsverteilung getan, kritisierte Avramopoulos. Ungarn habe nie die Aufnahme von Flüchtlingen zugesagt, Polen seit dem Dezember 2015 nicht mehr, ohne jemals Flüchtlinge aufzunehmen, sagte der EU-Kommissar. Und Tschechien habe seit August 2016 keine Flüchtlinge mehr umverteilt.
Avramopoulos erwähnte hingegen lobend Österreich und die Slowakei, die zuletzt Zusagen "im Geiste der Verpflichtung" abgegeben hätten. Österreich sei am Anfang einer der Hauptproponenten der EU-Flüchtlingspolitik gewesen, habe aber dann seinen Standpunkt aufgrund einer innenpolitischen Entscheidung geändert, sagte der EU-Kommissar. Jetzt sei Österreich zu loben, weil es in Kürze seine Tore für Flüchtlinge aus Italien und Griechenland öffne.
Die Zahl der täglichen Überfahrten von der Türkei auf die griechischen Inseln beträgt nach Angaben der EU-Kommission derzeit weiterhin etwa 50 pro Tag, die Zahl der Todesopfer in der Ägäis sei trotz der jüngsten tragischen Ereignisse erheblich zurückgegangen. Insgesamt sei die Zahl der Neuankömmlinge seit Inkrafttreten des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals um 97 Prozent zurückgegangen. Seit März seien 311 Rückführungen in die Türkei erfolgt, wodurch die Gesamtzahl der rückgeführten Migranten auf 1.798 gestiegen sei. Allerdings liege die Zahl der Neuankömmlinge immer noch über der Zahl der Rückführungen von den griechischen Inseln in die Türkei, wodurch die griechischen Inseln Druck ausgesetzt seien.
Nachdem die EU-Kommission mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht hatte, hat die österreichische Bundesregierung vor wenigen Wochen die Aufnahme von zunächst 50 Flüchtlingen aus Italien zugesagt.
Österreich prüft derzeit die ersten elf Personen, die von Italien als Übernahme-Kandidaten im Rahmen des Relocation-Programms genannt wurden. Dabei geht es um "Personen im Familienverband und unbegleitete Minderjährige".
Diese sogenannte "Sicherheitsüberprüfung" ist aktuell im Gange, hieß es am Dienstag aus dem Innenministerium gegenüber der APA. Die genannten elf Personen sind die ersten, die im Rahmen des Relocation-Programms übernommen werden könnten. Zuvor wurden seitens anderer EU-Staaten noch keine Flüchtlinge zur Übernahme vorgeschlagen, hieß es im Innenressort