Die Europäische Union hat Großbritannien trotz der Wahlschlappe von Premierministerin Theresa May zu einem raschen Beginn der Brexit-Verhandlungen aufgerufen. "Ich brauche auf der anderen Seite des Tisches eine britische Delegation mit einem Delegationsleiter, der stabil, verantwortlich und mit einem Mandat ausgestattet ist", sagte der Brexit-Chefunterhändler der EU, Michel Barnier.
Er äußerte sich gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstag-Ausgabe) und weiteren europäischen Zeitungen. Barnier hat die britische Seite für den 19. Juni nach Brüssel eingeladen, um die Verhandlungen zu beginnen. Er wisse aber nicht, wann die britische Seite bereit sei, sagte Barnier. Ein Regierungssprecher in London konnte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Montag zunächst keine Antwort geben, ob die Brexit-Gespräche wie geplant am 19. Juni beginnen.
Unterdessen berichten britische Medien, konservative Regierungsmitglieder würden derzeit mit Politikern der oppositionellen Labour-Partei geheime Gespräche über einen "weichen Brexit" führen. Befürworter dieser Politik wollen, dass Großbritannien auch in Zukunft dem EU-Binnenmarkt angehört. Sie sind deshalb gegenüber Brüssel zu Zugeständnissen bereit. May selbst strebt einen harten Brexit an. An den Treffen sollen mehrere hochrangige Minister aus Mays Kabinett beteiligt sein. Ziel sei es, die Premierministerin zu Zugeständnissen zu bewegen. Den Berichten zufolge ist auch eine parteiübergreifende Brexit-Kommission im Gespräch, die einen geordneten EU-Austritt sicherstellen soll.
Der für den EU-Ausstieg zuständige Minister David Davis hielt zuletzt Verzögerungen um wenige Tage für möglich. May hatte ihre absolute Mehrheit bei der Parlamentswahl vergangene Woche verloren.
Eindringlich warnte Barnier vor den Folgen weiterer Verzögerungen für das von Großbritannien angestrebte Freihandelsabkommen. Ein Scheitern werde "gravierende und ernste" Folgen für beide Seiten haben. Dies gelte aber insbesondere für Großbritannien, das in seinem Handel mit der EU auf die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zurückfallen werde.