Im Gedenken an die Opfer des Terroranschlags in London halten die Menschen in Großbritannien am Dienstag eine landesweite Schweigeminute. Von 11.00 Uhr Ortszeit (12.00 Uhr MESZ) werde in allen Regierungsgebäuden Stille herrschen, teilte das Büro der Premierministerin auf seiner Internetseite mit. Die Flaggen in der Hauptstadt sollen bis zum Dienstagabend auf Halbmast bleiben.

Unterdessen geraten die britischen Sicherheitsbehörden nach dem Anschlag zusehends in die Kritik. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie einen der mutmaßlichen Attentäter trotz seiner bekannten radikalen Haltung nicht stärker kontrolliert hätten. Khuram Shazad Butt hatte in einer 2016 ausgestrahlten TV-Dokumentation unter anderem mit einer Flagge der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) posiert.

Großbritanniens Anti-Terror-Chef Mark Rowley teilte mit, der Mann sei damals überprüft worden. Aber die Behörden hätten keine Belege gefunden, dass er einen Anschlag plane. Daher sei der in Pakistan geborene Brite, der dem Inlandsgeheimdienst MI5 und der Polizei bekannt war, nachrangig eingestuft worden.

Verdächtiger arbeitete bei der U-Bahn

Trotz seinen Verbindungen zu radikalen Islamisten arbeitete Butt von Mai bis Oktober 2016 für die Londoner U-Bahn. Die Zeitung "The Times" berichtete am Dienstag, Butt habe Verbindungen zu einem der Attentäter des Londoner Terroranschlags vom 7. Juli 2005, bei dem Dutzende Menschen getötet worden waren, sowie zu einem bekannten Hassprediger gehabt.

Der 27-Jährige war verheiratet und hatte zwei Kinder. Er lebte im Ostlondoner Stadtteil Barking, wie auch der zweite mutmaßliche Attentäter Rachid Redouane. Der 30-Jährige aus Marokko hatte eine kleine Tochter mit einer 38-jährigen Frau, die unterschiedlichen Berichten zufolge entweder aus Irland oder aus Schottland stammt. Er war der Polizei offenbar nicht bekannt.

Auch der dritte Angreifer ist nun identifiziert. Dabei handle es sich um einen 22-Jährigen mit marokkanischem Vater und italienischer Mutter, berichteten italienische Medien am Dienstag. Im März 2016 war Youssef Zaghba auf dem Flughafen von Bologna aufgehalten worden, der Stadt, aus der seine Mutter stammt. Er wollte in die Türkei fliegen, um von dort Syrien zu erreichen. Er war damals wegen internationalem Terrorismus angeklagt, aber freigesprochen worden. Seitdem stand er auf den Listen der gefährlichen Personen. Zuletzt arbeitete er in einem Londoner Restaurant und hatte weiterhin Kontakt zu seiner Mutter in Bologna. Die Eltern des Verdächtigten hatten eine Zeit lang zusammen in Marokko gelebt, sich dann aber getrennt.

Alle Verdächtigen wieder auf freiem Fuß

Alle Verdächtigen, die am Sonntag im Zusammenhang mit dem Anschlag festgenommen worden waren, wurden am Montag wieder auf freien Fuß gesetzt. Zudem kümmerten sich Experten um die Hinterbliebenen der Todesopfer. Sie sorgten sich auch um die Familie einer Person, die als vermisst gilt.

Premierministerin Theresa May kündigte wenige Tage vor der Parlamentswahl an diesem Donnerstag an, den radikalen Islam aus der britischen Gesellschaft "auszurotten". Sie stellte einen Vier-Punkte-Plan vor, der sich mit aller Härte nicht nur gegen Terroristen, sondern gegen den radikalen Islamismus richtet.

"Wir müssen viel stärker daran arbeiten, ihn zu erkennen und ihn aus dem öffentlichen Dienst und der Gesellschaft auszurotten." Mit dem Begriff "öffentlicher Dienst" spricht May vermutlich das Schulwesen an. Es gebe "viel zuviel Toleranz für Extremismus in unserem Land", sagte sie. "Wir werden den Terroristen nicht erlauben, dass sie uns besiegen. Wir werden sie besiegen."

May plant unter anderem eine schärfere Überwachung von Internet und Messengerdiensten. Auch längere Haftstrafen gehören zum Paket. Ihr Herausforderer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei warf May vor, sie sei einst als Innenministerin selbst dafür verantwortlich gewesen, dass es heute 20.000 Polizisten weniger gebe als 2010.

Der Anschlag vom Samstagabend war das dritte Attentat binnen drei Monaten in Großbritannien und das zweite in London - alle drei hat der IS für sich in Anspruch genommen: In Manchester hatte im Mai ein Selbstmordattentäter nach einem Auftritt der US-Sängerin Ariana Grande 22 Menschen getötet. Ende März war ein Mann auf der Westminster-Brücke in London mit hohem Tempo in Fußgänger gefahren. Anschließend tötete er mit einem Messer einen unbewaffneten Polizisten. Sechs Menschen starben.