Ausgerechnet eines der reichsten Länder der Welt könnte Kollateral-Opfer der neuen Strategie von US-Präsident Donald Trump im Nahen Osten werden: Denn am Montag kappten Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain alle Verbindungen zu Katar.
Offizieller Hauptvorwurf: Katar unterstütze die Muslimbruderschaften in Ägypten und anderen sunnitischen Staaten. Inoffizieller Vorwurf: Der Emir von Katar kooperiere auch mit dem Iran - dem Hauptgegner Saudi-Arabiens. "Wir sehen die ersten Quittung der Reise Trumps nach Saudi-Arabien", sagt der außenpolitische Sprecher der deutschen Grünen, Omid Nouripour, der Nachrichtenagentur Reuters. "Denn Saudi-Arabien setzt nach der demonstrativen Unterstützung der USA nun seine Rolle als regionale Ordnungsmacht hart durch."
Tatsächlich sehen viele Experten den jetzigen Streit im Lichte einer sehr viel breiteren Konfrontation mit dem Iran. Konflikte der Golf-Partner mit Katar selbst sind nämlich nicht neu. Dem Land wird seit Jahren von anderen arabischen Ländern vorgeworfen, Salafisten und islamische Extremisten zu finanzieren. Vorwürfe der Unterstützung radikaler Gruppen gab es aus den Ländern Libyen, Somalia, Ägypten, Mali, Syrien, Irak und nun auch Jemen. Katar bestreitet dies - ebenso wie Saudi-Arabien seit Jahren Vorwürfe zurückweist, es unterstütze islamistische Strömungen in aller Welt.
"Eine vergleichbare Reaktion gab es bereits 2007 und 2014", sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Rolf Mützenich, mit Hinweis auf frühere Konflikte. Es gebe seit langem selbst im Golf-Kooperationsrat (GCC), zu dem sowohl Saudi-Arabien als auch Katar gehören, fundamentale sicherheitspolitische Differenzen. "Neuer Streitpunkt könnte jetzt die von Trump befürwortete Einhegung des Iran durch ein militärpolitisches Bündnis am Golf und das militärische Vorgehen im Jemen sein", glaubt aber auch Mützenich.
Ganz logisch erscheint der Schritt auf den ersten Blick nicht: Immerhin kämpfen Soldaten aus Katar auch an der Seite der Saudis in Jemen gegen die Houthi-Rebellen - und sollen nun abgezogen werden. In Katar befindet sich ein wichtiger US-Militärstützpunkt. "Dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen darf nun keine Sprachlosigkeit in der arabischen Welt folgen", warnte der außenpolitische Sprecher der Union, Jürgen Hardt. Gegenseitige Vorwürfe stärkten nur diejenigen Kräfte, denen an Stabilität und friedlichem Miteinander am wenigsten gelegen sei.
Saudi-Arabien tritt seit geraumer Zeit aggressiver auf. So hat es massiv im Nachbarland Jemen eingegriffen. Dass Trump seinen ersten Auslandsbesuch als US-Präsident in Saudi-Arabien machte, dort einen Gipfel mit mehr als 50 islamischen Ländern (ohne Iran) abhielt und dem Königreich in sehr großem Umfang moderne Waffen verkaufte, habe der Regierung in Riad deutlichen Rückhalt gegeben, heißt es bei EU-Diplomaten.
In Saudi-Arabien unterstützt man begeistert den Versuch Trumps, eine neue Front gegen den Iran zu schmieden. Die traditionelle Rivalität zwischen den beiden sunnitischen und schiitischen Führungsmächten der Region eskaliert deshalb. "Es scheint, dass die Saudis und die Vereinigten Arabischen Emirate sich durch die US-Regierung ermutigt fühlen", sagt auch Kristian Ulrichsen, Golf-Experte des amerikanischen Baker Instituts. Katar wirkt dabei eher wie ein Bauernopfer. Denn das kleine Emirat unterhält traditionell Kontakte in alle Richtungen - auch zum Iran. Es gilt aber trotz eines erheblichen Teils schiitischer Bevölkerung nicht als Iran-Verbündeter. Dennoch ist die diplomatische Unabhängigkeit dem großen westlichen Nachbarn Saudi-Arabien ein Dorn im Auge - zumal es im Golf-Kooperationsrat auch keine Einigkeit gibt, welche Gruppen man im syrischen und im libyschen Bürgerkrieg unterstützen soll.
Dass gerade aus Deutschland aufmerksam auf den Machtkampf am Golf geschaut wird, hat auch wirtschaftliche Gründe. Denn das Emirat ist mit Doha nicht nur ein Drehkreuz für den internationalen Flugverkehr, sondern auch strategischer Investor in europäischen Flaggschiffunternehmen wie VW und der Deutschen Bank.
Als unklar gilt, wie sehr der Abbruch der Beziehungen das Land treffen kann. "Katar scheint durch den jüngsten Schritt nicht viel befürchten zu müssen. Die Empfängerländer für Gas und Öl sind Indien, Japan und Südkorea", gibt sich Mützenich entspannt. Allerdings warnt der Grünen-Außenpolitiker Nouripour, dass es sehr schnell auch eine humanitäre Krise in Katar geben könnte. Denn so reich das Land auch sei: Bei Lebensmittellieferungen sei es völlig von Saudi-Arabien abhängig.