Mit einem für sie ungewöhnlichen Kraftausdruck hat die britische Premierministerin Theresa May ihre Entscheidung verteidigt, die Parlamentswahl überraschend um drei Jahre vorzuziehen. "Ich hätte diesen Job noch ein paar Jahre machen und keine Wahl anberaumen können. Aber ich hatte die Eier dazu in der Hose ('I had the balls')", sagte May am Freitagabend bei einer live übertragenen Fernsehdebatte mit Zuschauern im nordenglischen York.

Mitglieder aus dem Publikum hatten der konservativen Regierungschefin vorgeworfen, mit der vorgezogenen Parlamentswahl am 8. Juni ihr wiederholtes Versprechen gebrochen zu haben. Nach ihrem Amtsantritt in Folge des Brexit-Votums hatte May stets Wahlen vor Ablauf des derzeitigen Parlamentsmandats im Jahr 2020 ausgeschlossen.

Kritische Fragen

Ihren Meinungsumschwung begründete May im April mit dem politischen Streit über den angekündigten Austritt Großbritanniens aus der EU. Ihre Kritiker warfen ihr jedoch vor, sie wolle von dem erheblichen Vorsprung profitieren, die sie laut Meinungsumfragen vor der oppositionellen Labour Party hatte, um sich ein starkes Wählermandat für die Brexit-Verhandlungen zu sichern. Nach jüngsten Meinungsumfragen liegt der Vorsprung ihrer Partei inzwischen allerdings deutlich unter den damals vorhergesagten 20 Prozentpunkten.

Weniger als eine Woche vor der Wahl stellten sich May und ihr Herausforderer Jeremy Corbyn im BBC-Fernsehen den - durchaus kritischen - Fragen von Zuschauern und Journalisten. Dabei traten sie allerdings hintereinander auf: Die Premierministerin hatte den Vortritt, erst danach kam Labour-Chef Corbin an die Reihe. Ein direktes Duell hatte May abgelehnt.