Klarer Sieg für die CDU, kräftiger Dämpfer für die SPD und ihren Kanzlerkandidaten Martin Schulz: Zum Auftakt des deutschen Bundestagswahljahrs haben die Christdemokraten bei der Landtagswahl im Saarland überraschend stark zugelegt. Damit kann Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer an der Saar weiter mit dem Juniorpartner SPD regieren. Ihre seit 18 Jahren regierende CDU legte bei der Abstimmung am Sonntag auf gut 40 Prozent zu und landeten damit etwa zehn Prozentpunkte vor der SPD.
Vorläufiges Endergebnis
Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis der Landeswahlleiterin kam sie am Sonntag auf 40,7 Prozent vor der SPD mit 29,6 Prozent, gefolgt von der Linken (12,9 Prozent). Die rechtspopulistische AfD zieht mit 6,2 Prozent erstmals in den Landtag in Saarbrücken ein, in dem die Grünen und die Piraten nicht mehr vertreten sein werden.
Die Grünen verpassten mit 4,0 Prozent den Einzug ins Parlament, den sie 2012 mit 5,0 Prozent gerade geschafft hatten. Die Piraten, vor fünf Jahren noch mit 7,4 Prozent klar im Landtag, erhielten nur noch 0,7 Prozent. Die FDP scheiterte mit 3,3 (1,2) Prozent wie vor fünf Jahren erneut an der Fünf-Prozent-Hürde.
Damit entfallen auf die CDU 24 der 51 Sitze im Saarbrücker Landtag. Die SPD erhält 17 Mandate. Die Linkspartei stellt sieben Abgeordnete, die AfD drei. Da keine der etablierten Parteien mit der AfD koalieren will, hat nur eine erneute Große Koalition eine Mehrheit. Die Wahlbeteiligung lag 69,7 Prozent deutlich höher als 2012 mit 61,6 Prozent.
"Abstimmung für eine Große Koalition"
Wahlsiegerin Kramp-Karrenbauer beurteilte das Ergebnis als Auftrag der Wähler, das bisherige Regierungsbündnis mit der SPD fortzusetzen. "Das war eine ganz deutliche Abstimmung für eine Große Koalition und eine Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer", sagte sie. Im Vergleich zur Wahl von 2012 verbesserte sich die CDU deutlich um rund fünf Punkte.
Die Abstimmung galt als erster Test für die deutsche Bundestagswahl Ende September - es folgen im Mai die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Kanzlerin Merkel, zuletzt durch den Hype um Schulz in der Defensive, kann nun zuversichtlicher in den Bundestagswahlkampf ziehen. CDU-Generalsekretär Peter Tauber wertete das Wahlergebnis als "klare Absage an Rot-Rot-Grün" auch im Bund und erklärte: "In unsicheren Zeiten vertrauen die Menschen der politischen Kraft, die verlässlich regiert."
Für die CDU war es der erste Zugewinn bei einer Landtagswahl seit der Abstimmung in Bremen vor fast zwei Jahren. Seitdem hatte die Merkel-Partei auch unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise bei fünf Landtagswahlen in Folge an Zuspruch verloren.
30 Prozent für SPD
Die SPD erreichte mit Spitzenkandidatin Anke Rehlinger den Prognosen zufolge rund 30 Prozent. Schulz zeigte sich enttäuscht: "Wir haben das Ziel für diesen Abend nicht erreicht", sagte er. Bis zur Bundestagswahl seien es aber noch sechs Monate. "Das ist ein Langstreckenlauf und kein Sprint." Seine Hoffnungen richten sich nun auf die noch wichtigere Entscheidung im bevölkerungsreichsten Land Nordrhein-Westfalen, wo SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in sieben Wochen ihre Macht verteidigen muss.
Bei den Sozialdemokraten hatte seit der Kür von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten und Parteichef Euphorie geherrscht - die Rede war von einem "Schulz-Effekt".
Rehlinger räumte ein, dass die Aussicht auf ein rot-rotes Bündnis Wählerstimmen gekostet haben könnte. Bei einer Fortsetzung der Großen Koalition dürfte die 40-Jährige Vize-Regierungschefin bleiben. Die frühere Kugelstoßerin hatte mit Kramp-Karrenbauer in der Regierung gut kooperiert und sich dann in dem Frauenduell um Abgrenzung bemüht. Doch nach Umfragen sahen 66 Prozent der Wahlberechtigten das Land von der Großen Koalition gut regiert.
Den Hochrechnungen zufolge erhält die CDU im neuen Landtag 24 Sitze, während auf die SPD 17 Mandate entfallen. Die Linke schickt demnach sieben Parlamentarier in den neuen Landtag und die AfD drei Abgeordnete. Anders als eine Große Koalition hätte ein rot-rotes Bündnis aus SPD und Linkspartei keine Mehrheit.
Linke hochzufrieden
Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, zeigte sich hochzufrieden, äußerte sich aber enttäuscht von der SPD. Er forderte von ihr mit Blick auf die Bundestagswahl "eine klare Aussage für den Politikwechsel, damit es im Bund dann klappt". Die AfD schnitt schlechter ab als zuletzt bei Landtagswahlen. Parteivize Alexander Gauland führte dies auf "Sonderfaktoren" wie die Beliebtheit Lafontaines zurück.
Grünen tief enttäuscht
Grünen-Chefin Simone Peter äußerte sich tief enttäuscht von dem Ergebnis ihrer Partei. "Das ist ein Debakel", sagte sie. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner zeigte sich trotz des Scheiterns seiner Partei an der Fünf-Prozent-Hürde überzeugt, dass die FDP bei den restlichen Wahlen des Jahres einschließlich der Bundestagswahl besser abschneiden werde.
Rund 800.000 Bürger waren im Saarland zur Wahl des neuen Landtags aufgerufen. Um die 51 Sitze im Parlament bewarben sich Kandidaten aus insgesamt 14 Parteien und Wählergruppen. Die Wahlbeteiligung legte auf rund 70 Prozent zu - nach 61,6 Prozent im Jahr 2012.
Atempause für Merkel
Die hohen Stimmenzuwächse der CDU bei der Landtagswahl im Saarland verschaffen Partei-Chefin Angela Merkel eine Atempause. Seit Wochen steht die Kanzlerin wegen des "Schulz-Effekts" unter Druck, energischer in den Bundestagswahlkampf zu starten. Am Sonntagabend aber äußerten sich CDU-Vize Julia Klöckner, Kanzleramtschef Peter Altmaier und Generalsekretär Peter Tauber sehr gelassen.
"Das ist ein toller Start ins Wahljahr", sagte auch der parlamentarische Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer schon kurz nach 18.00 Uhr. Der Grund: Das gute Ergebnis von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer nutzt auch Merkel. Die saarländische CDU-Politikerin wird parteiintern als Landesausgabe der Kanzlerin angesehen - sachlich, ruhig, uneitel, so wurde sie am Sonntagabend lobend beschrieben. Wenn dieser Politikstil an der Saar erfolgreich sei, dann könne dies auch für den Bund gelten, hieß es. Vor allem aber jubilierte man im Konrad-Adenauer-Haus, der Parteizentrale der CDU, wegen eines anderen Punktes: "Ab heute müssen sich alle fragen, ob der Hype um den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz nur ein Hype ist", sagte Altmaier strahlend.
Angespannte Gefühlslage
Der demonstrative Jubel bei der CDU zeigt allerdings auch, wie angespannt die Gefühlslage in der Partei nach einer Serie verheerender Wahlniederlagen in den Ländern 2016 und den starken SPD-Werten bundesweit ist. Erst am Wochenende hatte sich im baden-württembergischen Schwetzingen ein neues konservatives Bündnis von Merkel-Kritikern in der CDU gegründet. Der "freiheitlich-konservative Aufbruch" will die Kanzlerin zu einem konservativeren Kurs drängen.
CDU-Generalsekretär Tauber zierte sich zwar, klare bundespolitische Konsequenzen aus der Saar-Wahl zu ziehen - wenn man von einer Absage der Wähler gegen ein rot-rotes Bündnis absieht. Aber hinter vorgehaltener Hand wird sehr wohl die Erwartung betont, dass jetzt die offene Kritik etwa des bayerischen Finanzministers Markus Söder leiser werden dürfte, die Union werde die Bundestagswahl verlieren, wenn sie nicht endlich entschlossener die SPD angreife. Denn laut Tauber zeigte die CDU im Saarland, dass sie sehr wohl das Spagat beherrsche, Merkel im Bund als verantwortungsvolle und auf das Regieren ausgerichtete Politikerin auftreten zu lassen, in einem Bundesland zugleich aber einen energischen Wahlkampf zu führen.
Tatsächlich hat die CDU-Saar mit mehr als 80.000 Hausbesuchen und Telefonketten diesmal stärker als alle anderen Parteien Anhänger aus dem Nicht-Wählerlager reaktivieren können. Den Mobilisierungseffekt gibt es offenbar derzeit eben nicht nur bei der SPD. "Das widerspricht doch komplett der These, dass Merkel die CDU in einen demobilisierenden Einschläferungswahlkampf treibe", sagte ein CDU-Präsidiumsmitglied. Sogar vom ansonsten kritischen Wirtschaftsrat kommt jetzt Lob: Die SPD-Strategie, sich trotz Regierungsbeteiligungen von gemeinsamen Leistungen abzusetzen und dazu noch das Land schlecht zu reden, komme nicht so gut an, sagte der Generalsekretär des CDU-Verbandes, Wolfgang Steiger, zu Reuters.
Und noch eines wurde am Sonntagabend aufmerksam vermerkt: Kramp-Karrenbauer sei die erste CDU-Wahlkämpferin, die von dem Burgfrieden Merkels mit CSU-Chef Horst Seehofer im Jänner profitiere. Denn vor den zurückliegenden Landtagswahlen hatte es von der CSU regelmäßig Querschüsse in der Flüchtlingspolitik gegeben. Nun schweigt Seehofer eisern und unterstützt die CDU-Chefin sogar aktiv bei der Abwehr ungeduldiger Wahlkämpfer. Die heiße Phase, so betont auch der Bayer, solle im Bund erst nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai beginnen. Merkel und Seehofer haben zudem durchgesetzt, dass das gemeinsame Unions-Wahlprogramm erst im Juli verabschiedet werden soll.
Der Hintergedanke beider Parteichefs: Wahlen werden immer stärker erst in den letzten zwei, drei Wochen entschieden. Und international warten mit US-Präsident Donald Trump und der französischen Präsidentschaftswahlen im April und Mai sehr viele Unbekannte, die sich auch massiv auf die Wirtschaftslage in Deutschland auswirken könnten. Das spricht gegen zu frühe Festlegungen etwa bei Steuererleichterungen - und ein Aufspringen auf den "Schulz-Effekt". Das Saar-Ergebnis wird als Bestätigung dieses Kurses gesehen.
Angesichts des Drängens der CDU-Innenpolitiker auf einen härteren Asylkurs hat Merkel aber auch hier am Sonntag Rückenwind für ihre Position bekommen. Denn Kramp-Karrenbauer gehört eher dem linken Parteiflügel an. Sie hat Merkels Linie in der Flüchtlingspolitik mitgetragen - und nun ein Ergebnis von über 40 Prozent eingefahren.