Das Saarland im äußersten Südwesten Deutschlands ist ein sehr kleines Bundesland mit kaum mehr als einem Prozent der deutschen Bevölkerung. Wenn sich bei der Landtagswahl am nächsten Sonntag trotzdem die Blicke aufmerksam Richtung Saarbrücken richten, dann liegt das vor allem an einem Politiker, der dort gar nicht zur Wahl steht: Martin Schulz, dem neuen Spitzenmann der deutschen Sozialdemokraten.
Seit der frühere EU-Parlamentspräsident Ende Jänner als SPD-Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl im Herbst vorgestellt wurde, geht es für seine Partei auch an der Saar in den Umfragen aufwärts. Die SPD regiert dort bisher als Juniorpartnerin der Christdemokraten in einer schwarz-roten Koalition. Lag sie um die Jahreswende mit 26 Prozent noch elf Punkte hinter der CDU, so hat sie seither um bis zu acht Punkte zugelegt und den Abstand je nach Umfrage auf bis zu einen Prozentpunkt verkürzt.
Bei der Wahl nächsten Sonntag steht dieser "Schulz-Effekt", der sich auch in den Umfragen auf nationaler Ebene bemerkbar macht, nun erstmals real auf dem Prüfstand. Ein Machtwechsel in der Saarbrücker Staatskanzlei scheint durchaus möglich.
Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (54) würde die schwarz-rote Koalition gerne fortsetzen. Doch nach einigen Umfragen gäbe es auch eine Mehrheit für ein rot-rotes Bündnis aus SPD und Linkspartei. SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger (40), bisher Wirtschaftsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin, könnte dann selbst Regierungschefin werden. Die in Westdeutschland anderswo recht schwache Linke käme im Saarland auf bis zu 13 Prozent, denn sie hat einen dort immer noch populären Spitzenkandidaten: den früheren SPD-Politiker und Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine (73).
Die Wahl im Saarland ist der Auftakt zu einem großen Wahljahr in Deutschland. Im Mai stehen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen auf dem Programm. Beide Länder werden schon seit Jahren von der SPD regiert. Sollte die CDU jetzt auch das Saarland verlieren, wäre dies ein Rückschlag für Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich bei der Bundestagswahl am 24. September um eine vierte Amtszeit bewirbt.
In den knapp zwölf Regierungsjahren Merkels hat die CDU außer Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen auch Baden-Württemberg, Niedersachsen, Thüringen und Hamburg an die Opposition verloren. Jetzt stellt sie nur noch in vier deutschen Bundesländern den Regierungschef. Ihrer Schwäche in Ländern und Kommunen stand lange die Stärke auf Bundesebene gegenüber. Dank Merkels Popularität fuhr sie bei den Bundestagswahlen 2009 und 2013 sichere Siege ein.
Doch Merkels Nimbus bröckelt, die Flüchtlingskrise mit dem unkontrollierten Zustrom hunderttausender Schutzsuchender 2015 hat am Ansehen der Regierungschefin gekratzt. Die SPD bringt mit Schulz ein neues Gesicht auf die politische Bühne. Glaubt man den Umfragen, so war es ein kluger Schachzug von Vizekanzler Sigmar Gabriel, auf Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur zu verzichten: Kam die SPD zuvor jahrelang nicht aus dem 20-Prozent-Tal heraus, so rangierte sie in nationalen Umfragen zuletzt mit 31 bis 33 Prozent annähernd gleichauf mit der CDU/CSU.
Mit Interesse wird bei der ersten Wahl des Jahres in Deutschland auch das Abschneiden der rechtspopulistischen AfD verfolgt. Die erst 2013 gegründete Partei dürfte nun in das elfte von insgesamt 16 deutschen Länderparlamenten einziehen. Im Saarland kam sie in Umfragen zuletzt aber nur noch auf knapp sieben Prozent. Dies ist nicht nur weit weniger als in ihren Hochburgen im Osten Deutschlands. Sie liegt damit auch klar unter ihren zweistelligen Ergebnissen im benachbarten Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg vor einem Jahr.