Fünf Wochen vor der Wahl verfolgten die Franzosen Montagabend die erste TV-Debatte der französischen Präsidentschaftskandidaten im Sender TF1. Es war die erste von insgesamt drei TV-Debatten. Die fünf Kandidaten: Marine Le Pen vom Front National, der unabhängige Kandidat Emmanuel Macron, der zuletzt stark gebeutelte Konservative Francois Fillon, der Sozialist Benoît Hamon und der weit links stehende Jean-Luc Mélenchon.
Überraschenderweise waren sich alle fünf gleich zu Beginn in einem Punkt einig: Sie kritisierten, dass nur die fünf in Umfragen Bestplatzierten von TF1 zur TV-Konfrontation eingeladen wurden - denn bei der Präsidentschaftswahl treten elf Kandidaten an. Marine Le Pen hatte einen Vorteil: Sie durfte zentral sitzen und war damit rein optisch im Zentrum des Geschehens. Macron, mit 39 Jahren jüngster Kandidat und mit einer bis jetzt überschaubaren Medien-Erfahrung ausgestattet, musste sich trotz seines jungen Alters als reifer Kandidat präsentieren.
Als ehemaliger Investmentbanker war Macron scharfen Angriffen der linken Kandidaten ausgesetzt, die ihn, den ehemaligen Rothschild-Banker, als typischen Vertreter der Elite erscheinen ließen. Dazu musste Macron begründen, was er denn anders machen will, weil er doch bereits unter Hollande Wirtschaftsminister gewesen war. Knapp die Hälfte aller französischen Wähler ist noch unentschlossen, wen sie wählen wird - die gestrige TV-Debatte war keine unwesentliche Entscheidungshilfe.
Ein gezeichnetes Land
Wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl ist Frankreich ein gezeichnetes Land: Die Terroranschläge 2015 und 2016 stellen den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf eine harte Probe, hinzu kommt eine seit Jahren stagnierende Wirtschaft mit hoher Arbeitslosigkeit. Die Franzosen sind, gelinde gesagt, unzufrieden. Immer mehr Wähler sympathisieren mit dem rechtsextremen Front National. Das linke Lager und die Konservativen sind zerstritten. Eine öffentliche Diskussion über die Missstände im Land blieb bisher weitgehend aus.
Einst galt der 63-jährige François Fillon als Favorit für die Präsidentenwahl. Doch durch die Affäre um die Scheinbeschäftigung seiner Frau und zwei seiner Kinder im Parlament hat er massiv an Unterstützung verloren. Neue Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit könnten seine Umfragewerte noch weiter sinken lassen. Eine Zeitung hatte Ende der vergangenen Woche enthüllt, dass Fillon sich Maßanzüge im Wert von 13.000 Euro schenken lassen hat. Er spricht von einem rein privaten Geschenk. Laut einer neuen Umfrage sind inzwischen drei Viertel der Franzosen für einen Rückzug des 63-Jährigen.
Macron gilt als pro-europäisches Bollwerk gegen die Rechtspopulistin Le Pen: "Ich kämpfe jeden Tag, damit Frau Le Pen nicht gewählt wird." Er wirbt vor allem um Wähler der Mitte, bisher konnte er damit punkten. Umfragen sehen ihn mittlerweile bereits im ersten Wahlgang knapp vor Le Pen. Sein atemberaubender Aufstieg wäre allerdings kaum denkbar ohne die Krise der politischen Konkurrenz. Doch auch Macrons Image ist nicht makellos: Wegen des Vorwurfs der Günstlingswirtschaft hat die Justiz Vorermittlungen gegen ihn eingeleitet. Dabei geht es um eine Veranstaltung 2016 in Las Vegas, die nicht ordnungsgemäß ausgeschrieben worden sein soll.
Marine Le Pen ist in gleich drei Affären verwickelt. Bei den jüngsten Ermittlungen prüft die Justiz den Verdacht der Verbreitung von Gewaltbildern im Netz. Le Pen hatte im jahr 2015 unter anderem ein Bild gepostet, das den enthaupteten Leichnam des US-Journalisten James foley zeigte. Es laufen außerdem Ermittlungen wegen Betrugsverdacht, außerdem soll sie falsche Angaben in ihrer Steuererklärung gemacht haben.