Einmal lässt er einfach nicht los. Einmal zieht er sein Gegenüber mit einem Ruck zu sich. Einmal tätschelt er die fremde Hand zusätzlich mit seiner Linken. Beim Handschlag mit Politikerkollegen sorgt US-Präsident Donald Trump immer wieder für Aufsehen. Die Hand des japanischen Premiers Shinzo Abe ließ Trump bei einem Fototermin im Februar gezählte 19 Sekunden nicht los, nun wird über das gestrige Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel heftig diskutiert.
Das erste Zusammentreffen der beiden Staatschefs war mit Spannung erwartet worden, nachdem Trump die Kanzlerin wegen ihrer Flüchtlingspolitik scharf angegriffen und diese die Achtung gemeinsamer Werte wie Demokratie, Freiheit, Rechtsstaat und Menschenwürde zur Bedingung für eine weitere Zusammenarbeit gemacht hatte. Trump begrüßte Merkel beim Aussteigen aus ihrer Limousine, der Empfang im Oval Office schien jedoch frostig - besonders als Trump einen Handschlag vor den Fotografen verwehrte.
Deutlich ist im Video zu hören, dass mehrere Fotografen fragen: "Können wir einen Handshake haben?" Merkel wendet sich Trump zu und fragt, ob sie dem Wunsch der Fotografen nachkommen sollen. Donald Trump hat entweder die Frage überhört oder war gedanklich abwesend, das sorgte für zahlreiche Diskussionen auf Twitter und Co.
Merkel selbst blieb diplomatisch und sprach in ihrem Eingangsstatement dennoch von einem "freundschaftlichen" und "warmherzigen" Empfang im Weißen Haus und einem "sehr guten, offenen ersten Austausch".
Körpersprache und was sie uns sagt
Das Händegeben ist ein Begrüßungsritual, das in der zwischenmenschlichen Kommunikation große Bedeutung hat. Kaum ein Karriere-Ratgeber würde ohne Tipps zum perfekten Handschlag auskommen. Er prägt den ersten Eindruck, gilt oft als Schlüssel für einen guten Start und ist vor allem in westlichen Kulturen verbreitet. Wird er verweigert, kann das schon einmal für Wirbel sorgen.
Glaubt man Deutungen von Körpersprache, kann ein Handschlag viel über eine Person verraten. "Der Handschlag wird leider von vielen unterschätzt", sagt die Körpersprache-Beraterin Monika Matschnig der Deutschen Presse-Agentur. In einem Buch schildert sie, dass zum Beispiel eine nach unten zeigende Handfläche darauf hindeute, dass derjenige den führenden Part in der Beziehung einnehmen will. Zeige die Handfläche nach oben, könne das für Unterwerfung sprechen. Streckt jemand die Handfläche senkrecht entgegen, gehe es um gleichgestellte Beziehungen. Und es gibt noch viele Kriterien mehr.
"Der Handschlag selbst sollte weder zu sanft noch schraubstockartig ausfallen und kaum länger dauern als unbedingt erforderlich", empfiehlt der Knigge. Mehrere Ratgeber sind sich einig, dass er keinesfalls zu lasch ausfallen darf, auch schwitzige Hände sind tabu. Wie nun auch Trump zeigte, kann man also einiges falsch machen.
"Absoluter Fauxpas"
Narzissmus, mangelndes Interesse, Selbstbezogenheit, fehlende Empathie - all das liest Expertin Matschnig aus Trumps Handschlag mit dem japanischen Regierungschef Shinzo Abe im Februar. Bei dem Treffen schüttelte und tätschelte Trump seinem Gast für die Fotografen knapp 20 Sekunden lang die Hand. Abe blickte irritiert zur Seite. Matschnig spricht von einem "absoluten Fauxpas" auch in kultureller Hinsicht, weil in Japan viel mehr Distanz erwartet werde.
Obwohl Trump diesbezüglich sicherlich Berater hat, scheint er sich auf sein Bauchgefühl zu verlassen: "Er hat mit den Mitteln agiert, die Mutter Natur ihm mitgegeben hat", sagt Stefan Verra, Spezialist für Körpersprache. Für ihn ist Trump ein "körpersprachliches Phänomen" und auch insofern interessant, da Körpersprache nie lüge. Bei Wählern punkteten heutzutage oft gerade ungeschliffen wirkende Politiker als Identifikationsfiguren.
Den Handschlag gibt es in der Menschheitsgeschichte schon so lange, dass kein genauer Ursprung bekannt ist. Den Wunsch nach einer Form der Berührung, um Vertrauen und Interesse auszudrücken, "den teilen wir mit den Tieren", erläuterte der Mediziner und Anthropologe Wulf Schiefenhövel einmal im "Deutschlandfunk". Er berichtete, schon zur Zeit der Römer und Griechen habe es den Handschlag gegeben.
Eine verbreitete Theorie zum Ursprung besagt, dass Menschen damit zeigen, keine Waffe in der Hand zu halten. Wie Verra erläutert, seien mit dem Handschlag stets Hierarchien gemildert worden. Das Ritual sei "enorm wichtig".
Nicht zuletzt lassen sich auf diese Weise Informationen erfühlen: zum Beispiel Stärke oder Schwäche, Distanz oder Nähe, Nervosität oder Ruhe. Und auch Duftstoffe spielen wohl eine Rolle. Weniger angenehm: Beim Handschlag werden auch Keime ausgetauscht. Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) werden bis zu 80 Prozent der ansteckenden Krankheiten über die Hände übertragen.
Auch über so manche Begrüßung von Trumps Vorgänger Barack Obama wurde gesprochen - dieser machte öfter lässig eine Ghettofaust. Die ist übrigens auch viel hygienischer.
Gisela Gross/dpa/Red.