Bei der zur europäischen "Schicksalswahl" erklärten Parlamentswahl in den Niederlanden haben die Rechtspopulisten einen Dämpfer erlitten: Die rechtsliberale Partei VVD von Ministerpräsident Mark Rutte setzte sich am Mittwoch klar gegen die rechtspopulistische Freiheitspartei (PVV) von Geert Wilders durch.
Beendigung der Auszählung verzögert sich
Die VVD kam nach Auszählung von 94 Prozent der Stimmen auf 33 Sitze, ging aus den Daten auf der Internetseite der Zeitung "AD" hervor. Das sind 8 weniger als zuvor. Nach Angaben der Nachrichtenagentur ANP von Donnerstagfrüh verzögerte sich die Beendigung der Auszählung, womöglich sogar auf Freitag.
Der Wahlabend zum Nachlesen
Die PVV erzielte demnach 20 Sitze. Wilders blieb damit deutlich hinter den Erwartung zurück. In Umfragen war seine Partei zeitweise in Führung oder gleichauf mit der Partei des Regierungschefs gelegen. Dennoch konnte die PVV hinzugewinnen: Im 150 Mandate zählenden Parlament hatte sie bisher zwölf Sitze.
Die Christdemokraten (CDA) kamen ebenso wie die sozialliberale D66 mit je rund 12 Prozent auf 19 Sitze. Heimlicher Sieger wurden die Grünen (GL) unter Jungstar Jesse Klaver: Sie konnten ihr Ergebnis auf 14 Sitze fast vervierfachen.
Absturz für Partei der Arbeit
Einen völligen Absturz musste dagegen die sozialdemokratische Partei der Arbeit (PvdA), Koalitionspartner in der bisherigen Regierung, hinnehmen. Die Sozialdemokraten fielen auf neun von ursprünglich 38 Sitzen; im scheidenden Parlament verfügten sie zuletzt noch über 35 Sitze. Die Wahlbeteiligung war mit rund 77 Prozent hoch.
Rutte wertete den Wahlausgang als Sieg über den Populismus. "Nach dem Brexit und nach den Wahlen in den USA haben die Niederlande Stopp gesagt zu einer falschen Sorte Populismus", sagte er am Mittwochabend vor feiernden Anhängern in Den Haag.
Wilders bot sich noch am Abend als Koalitionspartner in einer neuen Regierung an. "Wenn möglich, würde ich gern mitregieren, aber wenn es nicht geht (...) werden wir das Kabinett wo nötig unterstützen, bei den Fragen, die für uns wichtig sind", sagte Wilders. Zuvor hatte er per Twitter den Regierungschef gewarnt: "Rutte ist mich noch lange nicht los!" Rutte, der eine dritte Amtszeit anstrebt, hatte eine erneute Zusammenarbeit mit der PVV bereits kategorisch ausgeschlossen, ein solches Bündnis war 2010 geplatzt.
"Gegen die Extremisten"
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte Rutte: "Ich freue mich auf weiter gute Zusammenarbeit als Freunde, Nachbarn, Europäer", sagte die Kanzlerin laut Regierungssprecher Steffen Seibert in einem Telefonat. Eine Reaktion österreichischer Spitzenpolitiker gab es in der Nacht auf Donnerstag offenbar noch nicht.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich erfreut über das Wahlergebnis. Die Niederländer hätten "gegen die Extremisten" gestimmt, schrieb Junckers Sprecher Margaritis Schinas im Onlinedienst Twitter.
Interview
Frankreichs Staatschef Francois Hollande wertete den Wahlausgang als "klaren Sieg gegen den Extremismus". "Die Werte der Offenheit, des gegenseitigen Respekts und des Glaubens an die Zukunft Europas sind die einzig wahre Antwort auf nationalistische Bestrebungen", erklärte Hollande.
Warten auf nächste "Schicksalswahl"
Frankreich wählt in zwei Runden am 23. April und am 7. Mai ein neues Staatsoberhaupt. Dort liefert sich die rechtspopulistische Front-National-Chefin Marine Le Pen derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem parteilosen Mitte-Kandidaten Emmanuel Macron. Ein Sieg der Europagegnerin in der Stichwahl gilt aber als unwahrscheinlich.
Der italienische Regierungschef Paolo Gentiloni zeigte sich erleichtert über das pro-europäische Votum der Niederländer. "Kein #Nexit. Die Anti-EU-Rechte hat die Wahlen in den Niederlanden verloren", schrieb der Ministerpräsident am Mittwochabend auf Twitter.
Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon freut sich über das mäßige Abschneiden von Wilders. Mit einem einzigen Wort kommentierte sie auf Twitter einen Artikel der Zeitung "The Scotsman", der Wilders' Niederlage konstatierte: "Good", schrieb Sturgeon. Die Regierungschefin hatte am Montag wegen des Brexits ein neues Referendum zur Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien angekündigt.
Die Regierungsbildung in Den Haag dürfte äußerst schwierig werden. Geeignete Koalitionspartner für die VVD könnten nun unter anderem die CDA und die D66 sein - für eine Regierungsmehrheit sind 76 Sitze nötig. Experten rechnen mit monatelangen Koalitionsverhandlungen und bis zu fünf Parteien in der Regierung.