Die Abgeordneten des europäischen Parlaments stimmten am Donnerstag mit großer Mehrheit für die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Marine Le Pen, die Ermittlungen gegen die Vorsitzende des rechtsextremen Front National in ihrem Heimatland ermöglicht. Der 48 Jahre alten Rechtspopulistin könnte nun ein Prozess gemacht werden.
Le Pen wird vorgeworfen, im Jahr 2015 auf Twitter Fotos von Gewalttaten der Extremistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) gepostet zu haben. Unter anderem hatte sie ein Bild verbreitet, das den enthaupteten Leichnam des US-Journalisten James Foley zeigt. Sie reagierte damit nach eigenen Angaben auf eine TV-Sendung, in der aus ihrer Sicht eine Parallele zwischen ihrer Partei und der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) gezogen worden war. Über die auf Twitter verbreiteten Bilder der IS-Opfer schrieb sie: "Das ist der IS."
Die französische Justiz leitete wegen Le Pens Vorgehen Ermittlungen ein. Auch die Eltern von Foley hatten sich entsetzt über die Verbreitung der Bilder gezeigt. Die Veröffentlichung von Gewaltbildern ist in Frankreich eine Straftat, die mit bis zu drei Jahren Haft und 75.000 Euro geahndet werden kann. Die parlamentarische Immunität hatte Le Pen bisher vor der Strafverfolgung geschützt.
Le Pen führt Umfragen zufolge in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl, würde aber in der Stichwahl klar unterliegen. Sie und ihr rechtsextremer Front National (FN) sind in mehrere Affären verstrickt. Ein Überblick über weitere Ermittlungen der französischen Justiz gegen die Präsidentschaftskandidatin, ihre Partei und Vertraute:
Scheinbeschäftigungsaffäre im EU-Parlament
Le Pen und andere Europaabgeordnete des FN sollen Mitarbeiter als parlamentarische Assistenten bezahlt haben, obwohl diese in Wirklichkeit Parteiaufgaben übernahmen. Gegen Le Pens Bürochefin Catherine Griset wurde deswegen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, die FN-Parteizentrale wurde durchsucht. Die Front-National-Vorsitzende selbst weigert sich, Fragen der Ermittler zu beantworten.
Prozess wegen Wahlkampffinanzen 2012
Wegen mutmaßlichen Betrugs bei den Wahlkampffinanzen im Jahr 2012 soll dem Front National als Partei und zwei FN-Verantwortlichen der Prozess gemacht werden. Der Partei wird vorgeworfen, Wahlkampfkosten künstlich in die Höhe getrieben und sich damit eine höhere staatliche Erstattung erschlichen zu haben. Ein Termin für den Prozess ist noch nicht bekannt.
Ermittlungen wegen Wahlkampffinanzen 2014 und 2015
Ermittelt wird auch zu den FN-Finanzen bei den Kommunal-, Europa- und Departementswahlen in den Jahren 2014 und 2015. Gegen den Le-Pen-Vertrauten Frederic Chatillon wurde Mitte Februar ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Chef des Kommunikationsunternehmens Riwal, das Wahlkampfmaterial für die FN herstellte, soll der Partei illegalerweise einen Kredit gegeben haben. Chatillon wurde bereits in der Affäre um die Wahlkampffinanzen 2012 angeklagt.