EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich in drastischen Worten über Kritik an seinen fünf Szenarien für die Europäische Union beschwert. "Was für eine Scheiße! Ich würde "Scheiße" sagen, wenn wir hier nicht im Parlament wären. Was wollen Sie denn, dass wir machen?", rief er am Mittwoch im Europaparlament zu den Vorwürfen, dass er sich nicht auf eine konkrete Zukunftsvision festgelegt habe.
Der Kommission werde immer wieder vorgeworfen, nicht genug mit den Bürgern zu diskutieren, sagte Juncker. "Und wenn wir es machen, werden wir kritisiert", empörte sich der Kommissionspräsident.
Was Juncker vorgestellt hat
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte zuvor, dass "Europa eine positive Weltmacht bleiben muss". Bei der Präsentation des Weißbuchs zur Zukunft der EU sagte Juncker am Mittwoch im Europaparlament, die Europäische Union habe "einen langen Weg hinter und vor sich". Unser Kontinent werde von anderen bewundert, "während wir einander oft hassen".
Viele Bürger meinten, die Dinge müssten anders angegangen werden. "Aber man sollte auch nicht alles ändern wollen". Juncker unterstrich die Bedeutung der Demokratie, der Würde und der Gleichheit der Menschen und die freie Presse. "Schauen Sie sich an, was in der Türkei geschieht, wo ohne Grund ein deutscher Journalist verhaftet wurde, weil er das gesagt hat, was gesagt werden musste".
Wesentlich seien die Werte der EU. Diese könnten aber nicht darin bestehen, andere zurückzuweisen. "Wir können nicht die Stimmen derjenigen akzeptieren, die wollen, dass solche Werte totgebrüllt werden durch nationalistische Slogans; die aus Patriotismus eine Waffe gegen andere machen wollen".
Juncker verwies auf die Skepsis vieler Menschen, dass die EU zu viel regle. "Die Kommission hat bereits Fortschritte erzielt, wir wollen nicht jeden Aspekt regeln und uns in alles einmischen. Die Menschen wollen nicht Vorschriften über Toilettenspülungen und höhere Kinderschaukeln haben." Wesentlich sei, sich auf die großen Dinge zu konzentrieren.
Das Konzept des Spitzenkandidaten bei den EU-Parlamentswahlen verteidigte Juncker. Man könne nicht hinter die Ergebnisse von 2014 zurückfallen. Er selbst werde bei der Wahl 2019 nicht wieder kandidieren. Aber: "Ich bin weder müde noch gehen mir die Ideen aus. Im Gegenteil, das werden sie noch sehen."
In der Parlamentsdebatte erklärte ein EVP-Vertreter, es müsse damit aufgehört werden, Europa für etwas zu beschuldigen, was Europa nicht tun könne, weil es nicht über die entsprechenden Instrumente verfüge. Die Sozialdemokraten zeigten sich enttäuscht vom Weißbuch. Es sei nur die Option fünf eines stärkeren gemeinsamen Handelns möglich. Die europaskeptischen Konservativen konzedierten, dass die EU für Frieden gesorgt habe, "aber inzwischen wird nur noch der Friede beschworen". Die Hoffnungen, dass die EU für Wohlstand und Wachstum sorgen könne, seien fehlgeschlagen.
Die Liberalen bedauerten, dass die EU immer noch eine frei zusammengewürfelte Union sei. Es fehle weiterhin der digitale Binnenmarkt. Notwendig sei, eine positive optimistische Offensive parallel zum Brexit anzugehen. Von den Linken wurde bemängelt, dass es zu wenig sei, nur eine ästhetische Korrektur zu machen. Solange die EU die Bestrebungen der Menschen nicht ernst nehme, werde sie weiterhin abgelehnt. Die Grünen sahen das Problem in der Entwicklung, dass das Recht auf Profit als alleroberstes Gut ausgewiesen wurde. Dies habe viele Menschen zu Euroskeptikern gemacht. Kritik gab es daran, dass Juncker die Idee eines Kurswechsels für absolut unvorstellbar halte.