Normalerweise drängen sich die Abgeordneten beider Parteien an den Plätzen entlang des Ganges, durch den der Präsident in den Kongress schreitet. Diesmal blieben viele Sitze leer. Wie sich auch der Jubel in Grenzen hielt, als der "Sergeant at Arms" mit den  Worten "Mr. Speaker, the President of the United States" Donald Trump ankündigte.

Der Präsident schüttelte ein paar Hände, bevor er zügig zum Rednerpult schritt. Hinter ihm Speaker Paul Ryan und Vizepräsident Mike Pence, die das Triumvirat republikanischer Macht in Washington komplettieren.

User im Netz machten sich am Nachmittag lustig über eine Aufnahme des Senders MSNBC, die Trump offenbar beim Üben seiner Ansprache im Auto zeigte:

Er sitzt in seiner Limousine, hält einen Zettel in der Hand, liest einige Zeilen offenbar laut vor, schaut wieder weg und spricht weiter. Kurz stoppt er, schaut zufrieden und spricht dann weiter, den Blick nach vorn oder auch nach oben gerichtet. Der Präsident müsste eigentlich wissen, dass Szenen dieser Art immer in Großaufnahme gefilmt und übertragen werden, hieß es.

Trump eröffnete seine Rede vor dem Kongress mit einer Distanzierung von den antisemitischen Übergriffen der vergangenen Tage und dem Hassverbrechen auf ein Paar indischer Ingenieure in Kansas. "Wir stehen als Land zusammen in der Verurteilung von Hass und Bösem in jeder Form".  

Von da an bewegte sich der Präsident in der ganz vom Teleprompter abgelesenen Rede auf gewohntem Terrain. Trump präsentierte ein Sammelsurium an Ambitionen, Superlativen und Platitüden, die nur in wenigen Punkten von seiner seit Amtsantritt verfolgten Agenda abwichen.  

Nachdem der Präsident bei einem Hintergrundgespräch mit Fernseh-Moderatoren im Weißen Haus am Dienstagnachmittag überraschend eine Kehrtwende bei der Einwanderungspolitik in Aussicht gestellt hatte, warteten die Analysten in der Rede vergeblich darauf. Trump lobte bedarfsorientierte Zuwanderungssysteme, wie jene in Kanada, und warb für eine Überholung der Einwanderungspolitik in den USA. Demokraten und Republikaner sollten dabei zusammenwirken.

"Eine große, große Mauer"

Von einem Bleiberecht für Einwanderer ohne Papiere, die sich nichts weiter zu Schulden haben kommen lassen, war dann aber nicht mehr die Rede. Stattdessen gelobte der Präsident eine "große, große Mauer" zu bauen und mit der Ausweisung illegaler Einwanderer ernst zu machen. "Meine Regierung hat das Flehen des Volkes erhört, die Einwanderungsgesetze durchzusetzen."

Kein Aufweichen seiner harten Linie gibt es auch beim Einreisestopp für Reisende aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern. Im Laufe des Tages (Mittwoch) wollte er dafür mit einem überarbeiteten Dekret einen zweiten Anlauf nehmen.

"Wir ergreifen starke Maßnahmen, unsere Nation vor radikalem islamischem Terrorismus zu schützen", postulierte Trump und betonte die drei Worte "radikalen islamischen Terrorismus", von dessen Gebrauch sein neuer Nationaler Sicherheitsberater H.R. McMaster dringend abgeraten hatte.

"Falsches Mitgefühl"

Die Aufnahme von Flüchtlingen wertete Trump als falsches Mitgefühl. Es sei nachlässig "Personen von Orten ins Land zu lassen, wo die Leute nicht richtig überprüft werden können."  Die USA dürften es nicht erlauben, "dass dieses Land ein Rückzugsgebiet für Terroristen wird". 

Trump kehrte zu dem Thema seiner Wahlkampfreden zurück, in dem er die Supermacht regelmäßig als Opfer darstellte, das von anderen missbraucht werde. "Sie werden unser Land nicht länger ausnutzen," versprach er seinen Zuhörern eine "America-First"-Politik.

Fairer Handel

Er beklagte das Handelsdefizit von 800 Milliarden Dollar, die Konsequenzen des Beitritts Chinas zur Welthandelsorganisation und empfahl Handelsprotektionismus als Gegenmittel. "Ich glaube sehr an freien Handel, aber auch an fairen Handel. Es ist lange her, dass wir fairen Handel hatten."

Trotz seines Bekenntnisses zur NATO positionierte sich Trump als Isolationist, der die Rolle Amerikas in der Welt anders sieht als alle Präsidenten seit Ende des zweiten Weltkriegs. "Mein Job besteht nicht darin, die Welt zu repräsentieren. Mein Job ist, die USA zu vertreten". Als solcher habe er zum Beispiel dafür gesorgt, dass die NATO-Partner ihre Lasten trügen. "Das Geld kommt rein."

Steuernachlässe

Auf dem innenpolitischen Wunschzettel Trumps standen ein "großer, großer Steuerschnitt" für die Wirtschaft und "massive Steuernachlässe für die Mittelklasse". Er versprach ein eine Billion Dollar teures Infrastruktur-Programm sowie den Ersatz von "Obamacare" durch ein neues Gesundheitssystem, das billiger sei und mehr Menschen Schutz verschaffe.  

Wie er dafür und die ebenfalls in Aussicht gestellte massive Aufrüstung der Streitkräfte bezahlen will, ließ Trump offen. Ohne Kooperation des knausrigen Kongresses wird es bei dem Wunsch bleiben.

Den längst anhaltenden Beifall erhielt die Witwe des in Jemen getöteten Navy SEAL's Ryan Owens, den Trump zum Helden verklärte. Owens Vater hatte es abgelehnt, die Kondolenz-Wünsche des Präsidenten entgegen zu nehmen, weil er Trump vorhält,  leichtfertig seinen ersten Anti-Terror-Einsatz befohlen zu haben.

Die Witwe des im Jemen getöteten Soldaten Ryan Owens, und Trumps Tochter Ivanka
Die Witwe des im Jemen getöteten Soldaten Ryan Owens, und Trumps Tochter Ivanka © APA/AFP/MANDEL NGAN

Mehr als einmal brachen die Demokraten offen in Gelächter aus. Etwa als Trump verkündete, "Die Zeit der kleinen Ideen ist vorüber. Die Tage der trivialen Kämpfe liegen hinter uns." Aus Protest gegen die aus ihrer Sicht frauenfeindlichen Politik, trugen die Oppositions-Politikerinnen demonstrativ "weiß".

Der frisch gebackene Generalsekretär der Demokraten, Tom Perez, nannte die "Rede zur Lage der Nation" eine Präsentation "alternativer Fakten". Die Zuschauer hätten Trumps Chefstrategen "Steve Bannon auf Steroiden mit einem Lächeln auf den Lippen" erlebt.