Nach der Billigung durch das Parlament wird die von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebte Verfassungsreform für ein Präsidialsystem den Türken zur Abstimmung vorgelegt. Die Abgeordneten verabschiedeten am frühen Samstagmorgen mit der nötigen Dreifünftelmehrheit das Reformpaket aus 18 Artikeln und machten damit den Weg für das Referendum voraussichtlich Ende März oder Anfang April frei.

Bei der Volksabstimmung ist nur noch eine einfache Mehrheit notwendig. Das Präsidialsystem würde Erdogan deutlich mehr Macht verleihen und das Parlament schwächen. Der Präsident würde zugleich als Staats- und Regierungschef amtieren und könnte weitgehend per Dekret regieren. Sein Einfluss auf die Justiz würde weiter zunehmen.

Opposition spricht von Katastrophe

Erdogan feierte die Zustimmung und forderte seine Anhänger dazu auf, sich für die kommende Wahlkampagne "ordentlich ins Zeug" zu legen. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu sprach dagegen von einer "Katastrophe" und kündigte einen entschlossenen Kampf gegen die Reform an.

Für das von der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP eingebrachte Reformpaket stimmten 339 Abgeordnete, 142 waren dagegen. Während der fast zweiwöchigen Parlamentsdebatte über die Verfassungsänderungen kam es zu hitzigen Auseinandersetzungen und zu Schlägereien im Parlament. Über die 18 Artikel wurde jeweils einzeln in zwei Lesungen abgestimmt. Sie alle erhielten - wie am Schluss auch das Gesamtpaket - die notwendige Dreifünftelmehrheit von mindestens 330 Stimmen.

Diese wurde auch mit Hilfe von Abgeordneten aus der ultranationalistischen Oppositionspartei MHP erzielt. Ministerpräsident Binali Yildirim bedankte sich nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu bei MHP-Chef Devlet Bahceli für die "große Unterstützung". Er wünsche schon im Voraus, dass die Reform Glück und Segen für die Türkei bringe.

"Neuer Aufschwung für die Türkei"

Erdogan beglückwünschte die Türken am Samstag zur Entscheidung des Parlaments. "Ich gratuliere unserem Volk. Ich gratuliere unserem Land", sagte er in Istanbul bei der Eröffnung einer Metrostation vor einer jubelnden Menge. Das Volk müsse nun im Referendum abstimmen. "Und mit dieser endgültigen Entscheidung wird die Türkei einen neuen Aufschwung erreichen", sagte Erdogan. Am Sonntag brach Erdogan dann erstmal zu einer viertägigen Afrikareise auf.

Bis 2034 im Amt

Die Umsetzung der Verfassungsreform soll schrittweise erfolgen und bis zur für November 2019 geplanten Wahl vollständig abgeschlossen sein. Theoretisch könnte Erdogan durch eine Hintertür in den Verfassungsänderungen bis zum Jahr 2034 im Amt bleiben, wenn er die jeweiligen Wahlen gewinnt. Erdogan wäre dann 80 Jahre alt.

Erdogan führt an, dass das Präsidialsystem der Türkei Stabilität bringen würde. CHP-Chef Kilicdaroglu dagegen kritisierte, das Parlament habe "Verrat" an seiner Geschichte begangen und die "eigenen Machtbefugnisse" abgetreten. "Wir sind gegen diesen Systemwechsel", sagte er. Es sei eine "Katastrophe", wenn eine Person die gesamte Macht erhalte.

Zugleich zeigte sich der Oppositionsführer zuversichtlich, dass die Reform bei dem Referendum scheitern werde und die Nation den "Fehler" des Parlaments beheben werde. Neben der Mitte-Links Partei CHP ist die pro-kurdische Oppositionspartei HDP strikt gegen das Präsidialsystem, weil sie eine Ein-Mann-Herrschaft befürchten.