Sein Haus? Leer. Sein Büro? Nicht zu erreichen. Der frühere britische Geheimagent Christopher Steele war am Donnerstag wie vom Erdboden verschluckt. Der 52-Jährige soll den Bericht mit angeblich belastendem Material über das Privatleben und die Finanzen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump verfasst haben.
Die Veröffentlichung von Steeles Namen durch das "Wall Street Journal" löste in Großbritannien bei den Medien ein wahres Jagdfieber aus.
Steeles Haus aus rotem Backstein im verschlafenen Dorf Runfold in der Nähe von London war am Donnerstag unbewohnt, wie AFP-Reporter berichteten. Ein Nachbar, Mike Hopper, sagte der Nachrichtenagentur PA, Steele sei am Mittwochmorgen weggegangen und habe ihn gebeten, in seiner Abwesenheit die drei Katzen der Familie zu versorgen. Wann er wiederkommen werde, habe er nicht gesagt. Britischen Medienberichten zufolge fürchtete Steele um seine Sicherheit und die seiner Familie.
Steele, der ein ehemaliger Agent des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 sein soll, ist einer der Chefs der Londoner Beratungsfirma Orbis Business Intelligence. Sie wurde 2009 von ehemaligen britischen Geheimdienstexperten gegründet, wie es auf ihrer Internetseite heißt. Am Donnerstag war das von Journalisten umlagerte Unternehmen für eine Stellungnahme zu den Berichten nicht zu erreichen. Orbis-Kodirektor Chris Burrows wollte im "Wall Street Journal" eine Beteiligung seiner Firma an der Erstellung des Trump-Reports "weder bestätigen noch dementieren".
Die Orbis-Büros befinden sich in der Nähe des Buckingham Palace in der zweiten Etage eines eleganten Gebäudes mit Marmorfront. "Heute kommt niemand", sagte der Mann am Empfang.
Im "Wall Street Journal" und im britischen "Telegraph" hieß es unter Berufung auf einen ehemaligen CIA-Agenten, Steele habe in den 90er Jahren in Moskau einige Jahre lang als Diplomat getarnt für den MI6 gearbeitet und genieße im Geheimdienstmilieu einen guten Ruf. Dem "Telegraph" zufolge war er auch in Paris stationiert.
US-Medien hatten zuvor unter Berufung auf US-Geheimdienste berichtet, Russland verfüge über belastende Informationen über Trumps Privatleben und seine Finanzen. Demnach sei der mehrfache Milliardär wegen des heiklen Materials (Sex-Parties in Nobelhotels in St. Petersburg und Moskau) möglicherweise erpressbar. Der rechtspopulistische Immobilienmogul wies die Berichte entschieden zurück und bezeichnete sie als "Lügengeschichten".
Der US-Geheimdienstkoordinator James Clapper hatte am Mittwochabend mitgeteilt, dass er nicht glaube, dass die veröffentlichten Informationen vom US-Geheimdienst stammten. Die Geheimdienste hätten zudem noch kein Urteil darüber gefällt, ob die Informationen aus dem Dokument "glaubwürdig" seien.
US-Medienberichten zufolge hatte Trump am vergangenen Freitag von den US-Geheimdienstchefs eine zweiseitige Zusammenfassung des 35-seitigen Orbis-Berichts erhalten. Darin ist unter anderem von einem Sexvideo die Rede, auf dem Trump mit russischen Prostituierten in einem Moskauer Hotelzimmer zu sehen sein soll.
Rivalen innerhalb Trumps Republikanischer Partei und später die Demokraten seiner bei der US-Präsidentschaftswahl unterlegenen Kontrahentin Hillary Clinton sollen Orbis engagiert haben, um belastende Dossiers gegen den Präsidentschaftsanwärter Trump zusammenzustellen. Orbis-Kodirektor Burrows wollte auch das "weder bestätigen noch dementieren".