In Syrien ist in der Nacht auf Freitag eine landesweite Waffenruhe in Kraft getreten, die Hoffnungen auf ein Ende des jahrelangen Bürgerkriegs weckt. Das Abkommen war unter Vermittlung Russlands und der Türkei zustande gekommen. Es gilt nicht für jihadistische Milizen.
Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte kam es nach Inkrafttreten der Feuerpause in der Nähe einer christlich geprägten Stadt in Hama zu Angriffen islamistischer Gruppen auf Regierungstruppen. Beide Seiten lieferten sich heftige Kämpfe, die Soldaten mussten sich von einem Berg nahe Mahrada zurückziehen, wie die in Großbritannien ansässige und in Syrien vernetzte Beobachtungsstelle mitteilte. Demnach versuchten "kleine Rebellengruppen und bewaffnete Loyalisten", die Feuerpause zu stören.
In anderen Landesteilen schien die Waffenruhe hingegen zu halten. Ein AFP-Korrespondent berichtete aus Ost-Ghouta, nach heftigen Luftangriffen und Schüssen am Donnerstag sei es später ruhig gewesen. Auch AFP-Reporter in Damaskus und Idlib berichteten, es gebe seit Mitternacht weder Gewehrfeuer noch Luftangriffe oder Zusammenstöße.
Die Einigung auf eine Feuerpause war am Donnerstag von Russland und Syrien verkündet worden, die syrische Opposition bestätigte die Maßnahme. Nach Angaben aus Moskau schlossen die syrische Regierung und die "wichtigsten Kräfte der bewaffneten Opposition" ein Abkommen. Demnach erklärten sich beide Seiten auch zur Aufnahme von Friedensverhandlungen bereit. Dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu zufolge unterzeichneten insgesamt sieben Oppositionsgruppen die Vereinbarung, darunter auch die mächtige Bewegung Ahrar al-Sham.
Von der Vereinbarung ausgenommen waren allerdings jihadistische Milizen wie die Organisation "Islamischer Staat" (IS) und die Kämpfer der früheren Al-Nusra-Front, die sich jetzt Fateh al-Sham-Front nennt. Der russische Präsident Wladimir Putin sagte dazu, sein Land werde den Kampf gegen den "Terrorismus" in Syrien fortsetzen. Zu Problemen könnte es allerdings in Gebieten wie Idlib kommen - dort sind die Kämpfer von Fateh al-Sham mit Rebellengruppen verbündet, die die Vereinbarung unterzeichnet haben.
Die USA und die Türkei begrüßten die vereinbarte Waffenruhe. Das US-Außenministerium nannte das Abkommen eine "positive Entwicklung". Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan bezeichnete die Feuerpause als "historische Gelegenheit und als Chance, die nicht verspielt werden" dürfe.
Die syrische Führung selbst sprach von einer "wirklichen Gelegenheit" zur Lösung des bewaffneten Konflikts. Die in der Syrischen Nationalen Koalition (SNC) zusammengeschlossene Exilopposition mit Sitz in Istanbul rief alle Kräfte zur Einhaltung der Waffenruhe auf.
Ein Rebellenkommandant der Freien Syrischen Armee (FSA) zeigte sich zuversichtlich, dass der dritte Anlauf in diesem Jahr erfolgreich sein könnte. "Neu ist die internationale Beteiligung", sagte Fares al-Bayoush. Abmachungen im Februar und September waren nach wenigen Wochen gescheitert. Sie waren zwischen den USA und Russland ausgehandelt worden. Die neue Feuerpause geht dagegen insbesondere auf die Regierungen in Moskau und Ankara zurück. Die beiden Länder fungierten auch als Garantiemächte, teilte das Außenministerium in Ankara mit.
Gruppen, die vom UNO-Sicherheitsrat als Terrororganisationen eingestuft werden, sind von der Waffenruhe ausgenommen. Der internationale Kampf gegen den IS soll also fortgeführt werden.
Nach der Umsetzung der Waffenruhe sollen Verhandlungen unter der Schirmherrschaft von Moskau und Ankara zwischen der syrischen Regierung und ihren bewaffneten Gegnern in der kasachischen Hauptstadt Astana stattfinden. Moskau zufolge könnten die Gespräche im Jänner beginnen.
Die Vereinten Nationen begrüßten die Einigung auf eine Waffenruhe. Die Einstellung aller Feindseligkeiten sei der Rahmen für sämtliche weiteren Bemühungen, sagte ein Sprecher des UNO-Sonderbotschafters Staffan de Mistura in Genf. Es sei zu hoffen, dass die Vereinbarung das Leben von Zivilisten schone, die Versorgung der Bevölkerung mit Hilfsgütern erleichtere und eine gute Grundlage für die kommenden Gespräche in Kasachstan sei.
Kurz vor Beginn der Waffenruhe wurden bei Luftangriffen nahe Damaskus offenbar mindestens 22 Menschen getötet. Allein bei Angriffen durch Kampfflugzeuge und Artillerie auf den Vorort Duma (Douma) sollen 13 Zivilisten, darunter mehrere Kinder, getötet worden sein, wie die Beobachtungsstelle am Donnerstag berichtete. Auch weitere Vororte sollen attackiert worden sein. Die Beobachtungsstelle stützt sich auf ein Netzwerk von Informanten, ihre Angaben sind von unabhängiger Seite kaum überprüfbar.