Auch ein Jahr danach bleibt die Hilflosigkeit der Polizei, die Ohnmacht der Opfer, die Haltlosigkeit der Täter erschütternd. "Wir waren wie Fleisch an der Theke. Die ganze Zeit haben uns fremde Hände angefasst." So gaben es Frauen, die die Silvesternacht auf dem Kölner Bahnhofsplatz und der Domplatte verbrachten, zu Protokoll. "Wir waren hoffnunglos überfordert", gestanden Polizisten später ein.
Vor dem Jahreswechsel hatten sich mehrere tausend Menschen versammelt. Junge Männer, vor allem Zuwanderer aus Nordafrika, viele von ihnen betrunken und mit Pillen aufgeputscht, randalierten, stahlen und gingen auf Frauen los. Mehr als tausend sexuellen Belästigern standen nur 140 Kölner Bereitschaftspolizisten und 70 Bundespolizisten gegenüber. Sie waren schlecht koordiniert, offenbar nahm man die Notrufe der bedrängten Frauen auch lange nicht ernst. So ließ die Polizei die Männer stundenlang gewähren. Die Nacht wurde zum nationalen Trauma, Deutschland war danach nicht mehr wie zuvor. "Wir schaffen das", hatte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in Bezug auf die Flüchtlinsströme postuliert. Nach der Silvesternacht war der Glaube daran weg. Köln markierte das Ende der Willkommenskultur, eine Schubumkehr in der Flüchtlingspolitik.
Welche die richtigen Schlüsse sind, die aus der Silvesternacht zu ziehen sind, ist bis heute umstritten. Klar, die Polizei rüstet auf, Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies gab eine Sicherheitsgarantie ab; die Polizei werde heuer zum Jahreswechsel mit 1500 Beamten im Einsatz sein, die Plätze der Innenstadt werden mit Videokameras überwacht.
Doch die Grundsituation hat sich verändert. Das Asylrecht wurde in Deutschland wie auch in Österreich bald nach Köln verschärft. Österreich setzte die Schließung der Balkan-Route durch, Merkel einigte sich mit dem Despoten in der Türkei auf einen Flüchtlingspakt, der zwar die Zahl der Neuankömmlinge drastisch reduzierte, ihr aber wenig Ruhm einbringt.
Tabus werden offener angesprochen: Kriminalität und Gewalttaten von Flüchtlingen; auch sexuelle Übergriffe im Allgemeinen. Nicht die Zahl der Übergriffe habe sich 2016 erhöht, sagen Experten, aber die Zahl der Frauen, die sie anzeigen.