Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) in Syrien ist wegen der humanitären Lage in der umkämpften Metropole Aleppo alarmiert. Die gesundheitliche Situation in der Stadt sei katastrophal, berichtete die Organisation am späten Montagabend auf Twitter.
Keine Nahrung, kein Wasser
Es gebe kaum noch Medikamente, viele Menschen hielten sich wegen der andauernden Kämpfe seit Tagen versteckt und hätten keine Nahrung und kein Wasser.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zeigte sich besorgt nach jüngsten Berichten über Gräueltaten gegen Zivilisten in Aleppo. Es gebe auch Berichte von Gräueltaten gegen Frauen und Kinder, sagte Ban laut Mitteilung am Montag in New York. Die Vereinten Nationen könnten diese Berichte nicht unabhängig nachprüfen, aber sie machten ihn sehr besorgt, sagte Ban weiter. Er habe den UN-Sonderbeauftragten für den Konflikt in Syrien, Staffan de Mistura, gebeten, dringend mit allen Beteiligten darüber zu sprechen.
Die syrische Armee hatte zusammen mit ihren Verbündeten am Montag zahlreiche von Rebellen kontrollierte Viertel im Osten Aleppos zurückerobert. Nach Angaben von Beobachtern stehen die Aufständischen kurz vor einer Niederlage in der Stadt. Vor rund einem Monat hatte die Armee die Offensive auf die Rebellenviertel begonnen. Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete am Montag berichtete, kontrollierten die Rebellen nur noch etwa drei Prozent ihres bisherigen Einflussgebietes.
40.000 Menschen geflohen
Bei den Kämpfen sind nach Angaben der Beobachter mindestens 60 Menschen getötet worden. Darunter seien auch zahlreiche Zivilisten, berichtete die Beobachtungsstelle in der Nacht. Zuletzt waren nach Angaben der Vereinten Nationen rund 40 000 Menschen aus dem Ostteil Aleppos geflohen.
Das Rote Kreuz in Syrien veröffentlichte Bilder aus provisorischen Notunterkünften in Aleppo. Darauf sind hunderte Menschen zu sehen, die sich mit Planen und Decken notdürftige Schlafstätten gebaut haben. Viele Menschen stünden unter Schock, hieß es. Sie hätten sich teilweise tagelang versteckt gehalten, ohne Tageslicht oder Elektrizität.
Aufruf des Papstes
Angesichts der dramatischen Lage in der Stadt hat PapstFranziskus Syriens Machthaber Bashar al-Assad in einem Brief aufgefordert, Zivilisten vor Gewalt zu schützen und einen sicheren Weg für Hilfsgüter zu garantieren. In dem Schreiben rief das katholische Kirchenoberhaupt den Präsidenten des Bürgerkriegslandes und die internationale Gemeinschaft auf, sich für ein Ende der Kampfhandlungen einzusetzen, wie der Vatikan am Montag mitteilte.
Berichte über Gräueltaten
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat seine Besorgnis angesichts von Berichten über Gräueltaten gegen zahlreiche Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, in Aleppo zum Ausdruck gebracht.
Zwar könnten die Vereinten Nationen die Berichte über solche Gräueltaten nicht unabhängig überprüfen, doch habe der UN-Generalsekretär den Konfliktparteien seine "ernste Sorge" übermittelt, sagte ein UN-Sprecher am Montag in New York. Vor allem die syrische Armee mit ihren Verbündeten Russland und Iran müssten Zivilisten schützen.
Die seit Jahren umkämpfte Großstadt Aleppo steht kurz vor der vollständigen Eroberung durch die syrische Armee, die durch russische Luftangriffe unterstützt wird. Die Mitte November gestartete Offensive auf die Rebellenviertel im Osten der Stadt gehe "in die Endphase", hatte ein syrischer Armee-Vertreter am Montag gesagt. "Der Kampf um Aleppo hat sein Ende erreicht", berichtete auch der Direktor der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman. Er sprach von einem "vollständigen Zusammenbruch" bei den Rebellen.
Binnen 24 Stunden sind laut Beobachtungsstelle mehr als 10.000 Zivilisten aus den seit 2012 von den Rebellen gehaltenen Vierteln in Ost-Aleppo geflüchtet. Der vollständige Fall der Stadt in Regierungshände wäre die schwerste Niederlage für die Rebellen in dem seit 2011 währenden Konflikt in Syrien. In West-Aleppo waren einem AFP-Reporter zufolge am Montagabend bereits Freudenschüsse zu hören. Das staatliche syrische Fernsehen zeigte feiernde Menschen, die Bilder von Staatschef Bashar al-Assad und syrische Flaggen hochhielten.