Nach dem Verzicht von Frankreichs Präsident Francois Hollande erhält Ministerpräsident Manuel Valls laut einer Umfrage den größten Rückhalt für eine Kandidatur der Sozialisten. Der Regierungschef zieht damit als Favorit in die Vorwahl, bei der im Jänner entschieden wird, wen die Partei in das Rennen um den Elysee-Palast schickt.

Wie aus einer Umfrage von Harris Interactive am Freitag hervorgeht, ist Valls für 24 Prozent der Befragten der bevorzugte Bewerber. Rund 14 Prozent favorisieren Hollandes früheren Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg. Den Befragten standen noch sechs weitere Personen zur Auswahl. Rund 47 Prozent wollen aber überhaupt keinen dieser acht Politiker im höchsten Staatsamt sehen.

Chance für Marine Le Pen

Hollande hatte am Donnerstag angekündigt, nicht wieder anzutreten und zog damit Konsequenzen aus dem Unmut der Bürger über seine Politik. Damit verzichtet in Frankreich zum ersten Mal seit fast 60 Jahren ein amtierender Staatschef darauf, sich um eine zweite Amtszeit zu bemühen. Allerdings hat die tief gespaltene sozialdemokratische Regierungspartei Befragungen zufolge kaum Chancen, über die erste Wahlrunde am 23. April hinauszukommen - egal mit welchem Kandidaten. Es wird vielmehr damit gerechnet, dass es in der zweiten Runde am 7. Mai auf eine Stichwahl zwischen dem Mitte-Rechts-Politiker Francois Fillon und Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National hinausläuft.

Durchwachsene Bilanz

Frankreichs Staatschef Francois Hollande, der 2017 nicht zur Wiederwahl antritt, hat eine höchst durchwachsene Bilanz vorzuweisen:

ARBEITSLOSIGKEIT

Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit war das zentrale Wahlversprechen Hollandes. Schon bis Ende 2013 wollte der Sozialist die unaufhaltsam anwachsende Arbeitslosenkurve umkehren - er scheiterte. Zwischenzeitlich wuchs die Zahl der Arbeitslosen auf historische Höchstwerte von knapp 3,6 Millionen. Inzwischen gibt es zwar einen Rückgang, seit Hollandes Amtsantritt ist die Zahl der Arbeitslosen insgesamt aber um rund 550.000 angestiegen.

WIRTSCHAFTSREFORMEN

Hollande versuchte sich an sozialdemokratischen Wirtschaftsreformen, um Frankreich wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Anfang 2014 stellte er seinen "Verantwortungspakt" vor: Unternehmen sollten im Gegenzug für die Schaffung von Arbeitsplätzen Steuererleichterungen in Milliardenhöhe erhalten. Zwei andere Reformvorhaben drückte er gegen massiven Widerstand des linken Sozialistenflügels durch das Parlament: Ein Gesetz aus der Feder des damaligen Wirtschaftsministers Emmanuel Macron, das 2015 unter anderem die Sonntagsöffnungszeiten ausweitete und den Busfernverkehr liberalisierte. Und die Lockerung des französischen Arbeitsrechts, gegen die es dieses Jahr massive Gewerkschaftsproteste gab.

WIRTSCHAFTSWACHSTUM UND DEFIZIT

In Hollandes Amtsjahren blieb das Wirtschaftswachstum schwach. Dieses Jahr dürfte es bei mageren 1,3 Prozent liegen. Hollande gelang es auch nicht, das Defizit wie angekündigt 2013 wieder unter die EU-Obergrenze von drei Prozent zu drücken. Die EU-Kommission gewährte ihm zweimal Aufschub. Das Ziel soll nun 2017 erreicht werden - die Zweifel sind aber groß, dass dies auch gelingt.

ANSCHLÄGE UND ANTI-TERROR-KAMPF

Angesichts einer beispiellosen Anschlagsserie verschärfte Hollandes Regierung den Kampf gegen den Terrorismus mit einer Reihe von Gesetzen. So wurde im Sommer 2015 ein umstrittenes neues Geheimdienstgesetz verabschiedet, das den Sicherheitsbehörden umfassende Befugnisse einräumt. Nach dem Anschlag vom 13. November 2015 mit 130 Toten verhängte Hollande den Ausnahmezustand, der immer noch in Kraft ist. Sein Vorhaben, für eine Ausbürgerung von verurteilten Terrorverdächtigen die Verfassung zu ändern, sorgte in den eigenen Reihen für Aufruhr und scheiterte.

EUROPA

Zu Beginn seiner Präsidentschaft setzte Hollande einen Wachstumspakt in der EU durch, um Investitionen zu fördern. Zusammen mit anderen sozialdemokratischen Staats- und Regierungschefs warb er stets für mehr Flexibilität bei den EU-Haushaltsvorgaben, um Mittel für den Kampf gegen Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit mobilisieren zu können. Das stieß aber auf den Widerstand von Staaten wie Deutschland, die auf einen Sparkurs pochen.

MILITÄREINSÄTZE

Als "Kriegsherr" konnte Hollande bei den Franzosen stets punkten, und auch bei den europäischen Partnern ist das militärische Engagement Frankreichs hoch angesehen. Hollande ordnete 2013 Militäreinsätze in Mali und in der Zentralafrikanischen Republik an. Im Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) startete die französische Luftwaffe im September 2014 Angriffe im Irak, ein Jahr später wurde der Einsatz auf Syrien ausgeweitet.

ATOMKRAFT

Ein im Sommer 2015 verabschiedetes Energiewende-Gesetz schreibt das Ziel fest, den Anteil der Atomkraft an der französischen Stromproduktion bis 2025 von 75 auf 50 Prozent zu senken. Die konkrete Umsetzung aber muss in mehrjährigen Energieplänen erfolgen, was noch nicht geschehen ist. Unter Hollande wurde kein einziger Reaktor stillgelegt.

HOMO-EHE

Seine wichtigste gesellschaftspolitische Reform vollendete Hollande schon im ersten Jahr seiner Amtszeit: Im Frühjahr 2013 führte Frankreich die Homo-Ehe und das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare ein. Gegen das Vorhaben hatte es monatelange erbitterte Proteste gegeben.

PRIVATE TURBULENZEN

Anfang 2014 enthüllte das Klatschmagazin "Closer" die heimliche Liebesaffäre des Präsidenten mit der Schauspielerin Julie Gayet. Paparazzi-Fotos zeigten, wie Hollande sich mit einem Motorroller zu Treffen mit der Schauspielerin fuhren ließ. Die Bilder sorgten weltweit für Aufsehen und Spott. Hollande trennte sich wenig später von seiner langjährigen Lebensgefährtin Valerie Trierweiler.

ENTHÜLLUNGSBUCH 

Ein im Oktober veröffentlichtes Buch mit dem vielsagenden Titel "Ein Präsident sollte das nicht sagen..." dürfte Hollande den politischen Todesstoß verpasst haben. Journalisten berichten darin ausgiebig aus Dutzenden Gesprächen, in denen der Sozialist unbekümmert über Parteifreunde lästert, Richter als "feige" bezeichnet und hochsensible Geheimnisse zur nationalen Sicherheit preisgibt. Das Buch sorgte auch bei den Sozialisten für Fassungslosigkeit. Gegner warfen ihm vor, das Präsidentenamt beschädigt zu haben.