Zwei frühere Premierminister wollen in den Elysée-Palast: François Fillon und Alain Juppé treten am Sonntag in der Stichwahl von Frankreichs Konservativen für die Präsidentschaftskandidatur gegeneinander an. Der Sieger dürfte sich 2017 ein Duell mit Front-National-Chefin Marine Le Pen liefern.

Francois Fillon: "Mister Nobody" ist plötzlich Favorit

Den einstigen Premierminister von Staatschef Nicolas Sarkozy (2007 bis 2012) hatte lange niemand auf der Rechnung - doch mit einem überraschenden Triumph in der ersten Runde der Präsidentschaftsvorwahl ist er zum klaren Favoriten aufgestiegen. Der 62-jährige Abgeordnete profitierte nicht nur davon, dass viele Franzosen eine Rückkehr des unbeliebten Sarkozy in den Elysee-Palast unbedingt verhindern wollten. Er überzeugt bürgerliche Wähler auch mit einem äußerst wirtschaftsliberalen und zugleich wertkonservativen Programm - und mit seiner unerschütterlichen Ruhe.

Fillon, der die Reformen der "Eisernen Lady" Margaret Thatcher in Großbritannien lobt, will binnen fünf Jahren 500.000 Beamtenstellen streichen, die Staatsausgaben um 100 Milliarden Euro senken, die 35-Stunden-Woche abschaffen und das Renteneintrittsalter von 62 auf 65 Jahre anheben.

Der Katholik und fünffache Vater setzt gleichzeitig auf eine stärkere Familienförderung, will das Adoptionsrecht für Homosexuelle einschränken und ist ein Abtreibungsgegner. Außenpolitisch tritt er für eine Annäherung an den russischen Staatschef Wladimir Putin ein und will im Syrien-Konflikt mit Machthaber Bashar al-Assad zusammenarbeiten.

Dass er nun Favorit für die konservative Präsidentschaftskandidatur und damit für das Amt des Staatschefs ist, muss Fillon mit großer Genugtuung erfüllen. Denn lange galt der zurückhaltende Politiker, 1954 in Le Mans geboren und großer Fan von Autorennen, als "Mister Nobody".

In seinen fünf Jahren als Premier musste er sich vom "Hyperpräsidenten" Sarkozy als einfacher "Mitarbeiter" verspotten lassen. Ende 2012 unterlag er seinem Konkurrenten Jean-François Copé in einem erbittert geführten Kampf um den Vorsitz der Republikaner-Vorgängerpartei UMP. Danach verschwand er lange in der Versenkung - jetzt könnte ihm die Krönung seiner politischen Karriere gelingen.

Alain Juppe: Der Mann der Mitte ist ins Hintertreffen geraten

Der Bürgermeister von Bordeaux galt lange als haushoher Favorit bei der Vorwahl - und ist jetzt ins Hintertreffen geraten. Auch deswegen legte der frühere Premierminister (1995 bis 1997) zuletzt seine vornehme Zurückhaltung ab und setzt auf Attacken gegen Fillon: Dessen wirtschaftsliberale Reformvorschläge hat er als "brutal" kritisiert, seine gesellschaftspolitischen Ansichten als "extrem traditionell". Auch Juppe, ein Mann der Mitte, will Frankreich reformieren, allerdings behutsamer als sein Rivale.

Vor der ersten Wahlrunde präsentierte sich Juppe als Gegenpol zu Sarkozy: Stets ruhig und ausgleichend verzichtete der 1945 im südwestfranzösischen Mont-de-Marsan geborene Politiker auf jede Polemik. Den zunehmend populistischen Forderungen des Ex-Präsidenten bei Einwanderung, Integration, Anti-Terror-Kampf und Islam setzte er seine Vision einer "glücklichen Identität" Frankreichs entgegen. Damit gewann er Sympathien bei Wählern der politischen Mitte - im konservativen Lager halten ihn viele aber für zu weich.

Mit seinen 71 Jahren steht der bisweilen etwas blasiert wirkende Absolvent der Verwaltungskaderschmiede ENA nicht gerade für einen dynamischen Neuanfang. Unvergessen auch, wie er Mitte der 1990er Jahre als Premier angesichts von Massenprotesten eine geplante Pensionsreform zurückziehen musste. Seine große politische Erfahrung steht aber außer Frage: Der langjährige Weggefährte von Ex-Staatschef Jacques Chirac war unter anderem Umwelt-, Verteidigungs-, und zwei Mal Außenminister, Abgeordneter und Parteichef.

2004 schien seine politische Karriere am Ende: Wegen einer Affäre um illegale Parteienfinanzierung wurde er zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung und einem Jahr Unwählbarkeit verurteilt. Doch schon 2006 gelang Juppe mit der Wahl zum Bürgermeister von Bordeaux das Comeback. Jetzt will der zum zweiten Mal verheiratete Politikveteran erneut zeigen, dass man ihn so schnell nicht abschreiben kann.

(Schluss) vos