Die am Donnerstag vom UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im einstigen Jugoslawien verkündete 40-jährige Haftstrafe für den ersten Präsidenten der bosnisch-serbischen Republik Radovan Karadzic hat in Bosnien unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.
"Es geht ihm gut, er hat uns allerdings für alle Zeiten verurteilt", kommentierte die Angehörige von sechs Srebrenica-Todesopfern, Mejra Djogaz, gegenüber dem TV-Sender N1. Im Srebrenica-Massaker hatte Djogaz nicht nur ihren Mann und drei Söhne, sondern auch einen Enkel und ihren Vater verloren. Sie hätten niemanden etwas Übles angetan, sagte sie.
Das Urteil werde nur eine "weitere Zuspitzung" der Situation in Bosnien-Herzegowina herbeiführen, zeigte sich der bosnisch-serbische Präsident Milorad Dodik überzeugt. Unter bosnischen Serben war vor der Urteilsverkündung die Befürchtung spürbar, dass sich die Verurteilung von Karadzic - der Prozess gegen den einstigen bosnisch-serbischen Militärchef Ratko Mladic ist noch im Gange - auf das Schicksal ihrer Entität auswirken könnte. Denn während des Krieges war die Republika Srpska, heute ein Bestandteil des komplizierten bosnischen Staatsgebildes, nur eine selbstproklamierte Schöpfung, die durch Terror und Gewalt an den Nicht-Serben ihr Gebiet ausweitete. Auch Srebrenica, der Schauplatz des schrecklichsten Massakers während des Bosnien-Krieges, gehört seit Juli 1995 zur Republika Srpska.
Nächstes Urteil
In dem seit dem Kriegsende als Ost-Sarajevo bekannten, von Serben bewohnten Stadtviertel der bosnischen Hauptstadt waren am Donnerstag Plakate mit Abbildungen von Karadzic und dem serbischen Ultranationalisten Vojislav Seselj und der Unterschrift "Serbische Helden" aufgetaucht. Unterzeichnet wurden sie von der Serbischen Radikalen Partei Seseljs. Für den Parteichef soll in Den Haag am kommenden Donnerstag das Urteil verkündet werden. Kurz nach der Urteilsverkündung hat Seselj seine Anhänger im Belgrader Stadtzentrum versammelt.
Jenes Neu-Belgrader Lokal, das von Karadzic während seiner langjährigen Flucht mit Vorliebe aufgesucht wurde, war am heutigen Donnerstag fast menschenleer. Der Haager Angeklagte war allerdings durch zahlreiche Fotografien an den Wänden vertreten. Dass sich seine Anhänger nicht in einer größeren Anzahl versammelten, war von einem Kellner gegenüber Medien durch das Fehlen eines TV-Gerätes erläutert worden. Die Urteilsverkündung wurde in Serbien und Bosnien-Herzegowina nämlich direkt übertragen.