Der Korruptionsskandal um den staatlichen Ölkonzern Petrobras hat Brasilien in eine tiefe Krise gestürzt, Präsidentin Dilma Rousseff kämpft mittlerweile um ihr politisches Überleben. Nun hat das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen sie auf den Weg gebracht.

Rousseffs Versuch, ihren Amtsvorgänger Luiz Ianacio Lula da Silva als zentrale Stütze ins Kabinett zu holen, wurde vorerst von einem Richter gestoppt. Fragen und Antworten zur Krise in Brasilien.

Was wird Rousseff vorgeworfen?

Die konservative Opposition beschuldigt Rousseff, ihren Wahlkampf 2014 illegal mit Spenden von Petrobras-Zulieferern finanziert zu haben. Außerdem soll sie den Haushalt für 2014 und für das erste Halbjahr 2015 geschönt haben. Ein Gericht hatte den Etat im Oktober wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten für illegal erklärt. Viele Brasilianer machen die 68-Jährige zudem für die schlimmste Rezession in Brasilien seit Jahrzehnten verantwortlich, immer wieder gibt es Massenproteste.

Was wird Lula vorgeworfen?

Lula, der von 2003 bis 2011 Präsident war, wird beschuldigt, in den Petrobras-Skandal verwickelt zu sein. Ihm droht eine Anklage wegen Korruption und Geldwäsche, die Staatsanwaltschaft von Sao Paulo forderte bereits Untersuchungshaft. Konkret geht es um eine Luxuswohnung und einen Landsitz, mit denen Lula geschmiert worden sein soll. Der Ex-Präsident weist die Vorwürfe zurück.

Wie ist der aktuelle Stand?

Die konservative Opposition versucht schon seit Monaten, die linksgerichtete Rousseff abzusetzen. Am Donnerstag setzte das Parlament eine Sonderkommission aus 65 Parlamentariern ein, die einen Bericht über die Verfolgung eines Amtsenthebungsverfahrens vorlegen soll.

Am selben Tag setzte Rousseff den 70-jährigen Lula als Stabschef ein. Ein Bundesgericht untersagte dies jedoch umgehend - weil Lula durch sein neues Regierungsamt vor Strafverfolgung geschützt würde. Als Minister könnte nur noch das Oberste Gericht gegen ihn vorgehen.

Was sind die nächsten Schritte?

Die Parlamentskommission muss binnen zwei Wochen entscheiden, ob das Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff fortgesetzt wird. Für die Amtsenthebung müsste sich das Abgeordnetenhaus dann im Plenum mit 342 von 513 Stimmen aussprechen. Wird das Amtsenthebungsverfahren auf diesem Weg bis vor den Senat getragen, muss Rousseff ihre Amtsfunktionen für eine Dauer von bis zu 180 Tagen ruhen lassen. Der Senat kann mit 54 von 81 Stimmen eine Amtsenthebung beschließen.

Muss Rousseff mit einer Amtsenthebung rechnen?

Theoretisch könnte Rousseffs Regierungskoalition, die über eine Mehrheit von 314 Abgeordneten verfügt, eine Amtsenthebung abschmettern. Am Samstag war aber Rousseffs wichtigster Koalitionspartner, die rechtsliberale Partei der demokratischen Bewegung (PMDB), von der Präsidentin abgerückt. Die Partei will binnen eines Monats entscheiden, ob sie aus der Regierungskoalition ausscheidet.

Auch rechtlich ist die Amtsenthebung umstritten. Der Jus-Professor Thomaz Pereira weist darauf hin, dass Rousseff dafür eine "konkrete Straftat" nachgewiesen werden muss. Ohne diesen Nachweis hätte das Verfahren seiner Auffassung nach keine rechtliche Grundlage - obwohl sich die politische Stimmung eindeutig gegen Rousseff richtet. Die Zustimmungswerte der Präsidentin liegen nur noch bei knapp zehn Prozent. Rund 60 Prozent der Brasilianer sind für ihre Amtsenthebung.