Nach acht Jahren der Annäherung an China erlebt Taiwan eine Wende. Die Kandidatin der oppositionellen Fortschrittspartei (DPP), Tsai Ing-wen, gewann am Samstag die Präsidentenwahl mit deutlichem Vorsprung. Ihr Gegenkandidat Eric Chu von der bisher regierenden Kuomintang gestand seine Niederlage ein, während die Oppositionsführerin in der Auszählung mit mehr als 50 Prozent führte.

Die 59-jährige Rechts-Professorin wird damit die erste Präsidentin der demokratischen Inselrepublik. Die bisher regierende Kuomintang, deren Politik als "china-freundlich" kritisiert worden war, erlitt eine verheerende Niederlage. In seiner Rede kündigte Chu seinen Rücktritt als Vorsitzender der Kuomintang an. Abgeschlagen lag auch der dritte Kandidat James Soong von der kleinen Volkspartei (PFP).

Die als moderat geltende Oppositionskandidatin versicherte den 23 Millionen Taiwanesen gleichwohl, am Status quo festhalten und eine berechenbare Politik verfolgen zu wollen. Sie will jedoch auf Distanz zu China gehen.

Komplizierte Lage in der Region

Präsident Ma Ying-jeou, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte, warnte deshalb vor einer "ungewissen Zukunft". Die Wahl wurde auch in den USA mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Ein Konflikt würde die ohnehin komplizierte Lage in der Region verschärfen, in der Chinas umstrittene Ansprüche auf Inselgruppen erhebt. Washington unterstützt Taiwan mit Waffenlieferungen und lehnt jede gewaltsame Änderung des Status quo ab.