Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, erklärte am Mittwoch in Brüssel, es sei "einstimmig" beschlossen worden, wegen der umstrittenen Reformen der polnischen Regierung im Verfassungsbereich eine vorläufige Einschätzung der Lage unter dem Rechtstaatlichkeits-Rahmen der EU vorzunehmen.

Ziel sei ein Dialog. "Ich bin absolut überzeugt davon, dass das Verfahren eines der Zusammenarbeit ist", betonte Timmermans. In den Antworten auf zwei von ihm an Warschau geschickten Schreiben "wurden nicht die konkreten Fragen, die ich angesprochen habe, beantwortet. Ganz spezifisch nicht, wo es um die Einhaltung der Urteile des höchsten polnischen Gerichts geht", sagte Timmermans.

"Ernste Angelegenheit für Rechtsstaat"

Auf Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angesprochen, der im Vorfeld gegen eine Überdramatisierung der Angelegenheit und gegen Sanktionen für Polen eingetreten ist, sagte Timmermans, es gebe "überhaupt keine Differenzen innerhalb der Kommission hinsichtlich des Verfahrens". Ziel sei, die Lage "in objektiver Art und Weise zu klären". Es handle sich um eine "ernste Angelegenheit für jeden Rechtsstaat".

Timmermans betonte, dass "Rechtsstaatlichkeit ein Grundwert für uns ist". Die Kommission werde nun eine "Vorabbewertung im Rahmen des Rechtsstaats-Verfahrens durchführen. Ganz besonders werden wir uns ansehen, ob die rechtsverbindlichen Werte und Urteile des Verfassungsgerichts eingehalten werden." Es müsse "jede Situation verhindert werden, in der die Rechtsstaatlichkeit infrage gestellt wird". Es könne "keine Demokratie und keine Grundrechte geben ohne Rechtsstaatlichkeit".

Der Vizepräsident betonte, dass "kein Kommissar gegen meinen Vorschlag" gestimmt habe. Es solle nun so früh wie möglich der Dialog mit Warschau beginnen. Er sei auch bereit, dazu nach Warschau zu fahren. Nach einem "produktiven Dialog werden wir sehen, ob wir den nächsten Schritt machen und Empfehlungen aussprechen, oder ob das Verfahren dort schon abgeschlossen werden kann". Auch der Venedig-Ausschuss des Europarats soll eine Stellungnahme abgeben. Die Kommission werde im März das Thema wieder am Tisch haben und dann über nächste Schritte urteilen.

Warschau gibt sich entspannt

Der polnische Regierungssprecher Rafal Bochenek sieht in der Prüfung polnischer Gesetzesreformen durch die EU-Kommission keinen Grund zur Unruhe. "Das ist eine Standardprozedur, wir sollten da nichts dramatisieren", sagte er am Mittwoch vor Journalisten in Warschau.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker habe der nationalkonservativen Warschauer Regierungschefin Beata Szydlo in einem "langen, freundschaftlichen Telefongespräch" am Dienstagabend versichert, es handle sich um eine "Orientierung" der EU-Kommission. Der angekündigte Besuch von Vizekommissionschef Frans Timmermans sei der "beste Beweis, dass die Beziehungen Polens zur EU sehr gut sind", fügte Bochenek hinzu.