3.670 Flüchtlinge sind am Freitag zwischen Mitternacht und 6.00 Uhr früh in Nickelsdorf eingetroffen. Diese Zahl nannte die Landespolizeidirektion Burgenland Freitag früh. Am Donnerstag seien es insgesamt rund 8.000 Menschen gewesen. Die Flüchtlinge kamen mit Zügen an und passierten zu Fuß die Grenze.

Alle Hände voll zu tun hatten in der Nacht auf heute, Freitag, in Nickelsdorf einmal mehr die rund 120 Mitarbeiter des Roten Kreuzes.  "Was in der letzten Nacht schon auffällig war: Wir haben relativ viele Kollaps-Vorfälle zu versorgen gehabt", so Sprecher Tobias Mindler.

Relativ viele Personen seien vor Erschöpfung zusammengebrochen, während sie auf Busse warteten oder einstiegen. "Das haben wir in der Nacht wirklich gehäuft bemerkt." Die Betroffenen seien behandelt worden und dann weitergefahren. Das Rote Kreuz forderte für die Versorgung der tausenden Flüchtlinge 10.000 Decken an. 

"Wir rechnen heute mit weiteren Tausenden. Fünf- bis siebentausend ist die Prognose", sagte Mindler. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR erwartet erst für November ein Abschwächen des Flüchtlingsstroms. 42.000 Flüchtlinge sind demnach derzeit noch auf der Balkan-Route Richtung Norden unterwegs. Von den nach Europa flüchtenden Menschen kommen nach UNHCR- Angaben 85 Prozent aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. "Wir sind überzeugt, dass sich das Problem managen lässt", sagte Europa- Direktor Vincent Cochetel kürzlich. 85 Prozent der Ankommenden seien Flüchtlinge und keine Wirtschaftsmigranten.

Militärzelte

Das Bundesheer hat in der Nacht von Donnerstag auf Freitag mit dem Aufbau von 40 Militärzelten in Nickelsdorf begonnen. Darin können sich bis zu 2.000 Flüchtlinge aufhalten und sich so vor Regen und Wind schützen. Darüber hinaus bietet das Militär dem Innenministerium weitere Hilfe an. In Kasernen in Wien, Hörsching und Salzburg können bis zu 1.100 Flüchtlinge vorübergehend untergebracht werden.

Die Flüchtlinge am Grenzübergang Nickelsdorf werden nun im Umfeld des Grenzübergangs aufgeteilt auf vier Stellen die Nacht verbringen. Rund 1.000 bis 1.500 Flüchtlinge schlafen unter einem nicht geschlossenen Flugdach.

Die Polizei Burgenland rechnet im Lauf des Tages wieder mit einer großen Flüchtlingsanzahl, konkrete Zahlen nennt man derzeit nicht. Den ganzen Donnerstag über seien laut Burgenlands Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil 7.500 Menschen angekommen. Für den heutigen Freitag erwartete Doskozil eine ähnlich große Zahl von Migranten am Grenzübergang.

Kritik an ungarischen Behörden

Kritisch äußerte sich Doskozil in der "ZiB 2" des ORF-Fernsehens am Donnerstagabend über die Informationspolitik der ungarischen Behörden. "Wir haben nicht jene Informationen bekommen, die wir benötigen", sagte der Landespolizeidirektor. Man habe erst um 18.00 Uhr von den ungarischen Kollegen erfahren, wie viele Flüchtlinge für die Nacht zu erwarten seien.

Nickelsdorf gesperrt

Der Grenzübergang Nickelsdorf auf der
Ostautobahn (A4) wurde Freitagfrüh aus Sicherheitsgründen für den Verkehr gesperrt worden. "Der starke Menschenansturm im Grenzbereich macht die Sperre beider Richtungen notwendig", informierte die Asfinag in einer Aussendung. Die Sperre wurde gegen 7 Uhr veranlasst. Um neun Uhr wurde sie wieder aufgehoben, allerdings nur in Richtung Ungarn.

Eine direkte Umleitungsstrecke gibt es nicht, da auch die
Bundesstraße 10 gesperrt ist, informierte die Asfinag. Damit ist nur eine großräumige Umfahrung des Grenzbereiches möglich. Die Einsatzkräfte standen am Freitag im Dauereinsatz, um die ankommenden Menschen zu versorgen und abzusichern. Die Asfinag ersuchte
Autofahrer in der Nähe des Grenzbereiches dringend um erhöhte Vorsicht vor Personen auf der Fahrbahn.

Gewaltiger Ansturm

Der Ansturm der Flüchtlinge aus den Krisenländern, die Zuflucht in Europa suchen und über die Balkanroute nach Ungarn kommen, ist gewaltig. Seit Samstag haben bereits 40.000 Menschen Österreich auf ihrem Weg nach Deutschland passiert.

Aufgrund der "massiven Überlastung" mussten die ÖBB den Zugverkehr zwischen Österreich und Ungarn vorübergehend einstellen. Das betrifft sowohl die Railjet-Verbindung auf der Strecke Wien-Budapest sowie grenzüberschreitende Regionalzüge, wie die ÖBB am Donnerstag mitteilte. Vorerst sind keine weiteren Sonderzüge von Wien Richtung Deutschland geplant. Ungewiss war demnach, wann der Railjet-Verkehr zwischen Wien und Budapest wieder aufgenommen wird.

"Mehr geht nicht"

"Seit 14 Tagen ist alles unterwegs, was Räder hat. Der Zustrom bleibt zu hoch. Wir tun, was wir können. Mehr geht nicht", bekräftigte Braun und verwies auf den nach Ende der Schulferien wieder aufgenommenen Normalbetrieb auf den Bahnstrecken. "Wir haben keine Züge ungenützt herumstehen. Und die Wartung eines Zugs ist aufwendiger als die eines Autos", sagte der Sprecher unter Bezugnahme auf den schon früher geäußerten Hinweis, dass die für den Transport von Flüchtlingen eingesetzten Sonderzüge gewartet werden müssen.

Selbstverständlich stünden den Flüchtlingen die 32 Züge zur Verfügung, die täglich Richtung Salzburg unterwegs sind und von denen viele nach Deutschland weiterfahren, sagte Braun. Er wies auch auf den Umstand hin, dass 1.200 Menschen die Nacht auf Donnerstag auf dem Wiener Westbahnhof verbracht haben, wobei dort 500 Notbetten zur Verfügung stehen. Weitere Flüchtlinge habe man aus Sicherheitsgründen nicht dorthin bringen können. 500 Menschen haben die Nacht auf dem Salzburger Hauptbahnhof verbracht.

Konvoi Richtung Ungarn

Unterdessen ist am Donnerstagabend in Wien erneut ein Konvoi zum Flüchtlingstransport mit rund 20 Fahrzeugen nach Ungarn gestartet. Mit Privatfahrzeugen sollten vom Bahnhof Györ in Ungarn Flüchtlinge zum Wiener Westbahnhof gebracht werden. "Wir bitten, die Behörden in Ungarn und Österreich, uns bei diesem humanitären Auftrag nicht zu behindern", hatte ein Initiator der Aktion vor der Abfahrt erklärt

Lage am Wiener Westbahnhof ruhig

Nach Angaben der Polizei haben sich am Donnerstag bis zu 4.000 Flüchtlinge am Wiener Westbahnhof befunden. "Um die 900 werden die Nacht hier verbringen", sagte Polizeisprecher Thomas Keiblinger der APA. Wie auch bereits in den vergangenen Tagen gab es auch am Donnerstag keinen einzigen polizeilich relevanten Vorfall. Am Abend war die Lage am Bahnhof "extrem ruhig", sagte der Sprecher.

Die Nacht auf Donnerstag verbrachten rund 1.600 Flüchtlinge in der Bundeshauptstadt. Im Laufe des Tages kamen "3.000 Personen neu an". "Von ihnen haben 41 einen Asylantrag gestellt - fast ausschließlich syrische Staatsbürger", sagte Keiblinger. Der Großteil der Flüchtlinge war am Abend bereits weitergereist. Gegen 20.00 Uhr konnten nochmals 400 Personen in einem Zug nach Deutschland fahren, schilderte der Polizeisprecher.

Lage in Deutschland spitzt sich zu

Immer mehr Flüchtlinge kommen nach München. Die Regierung von Oberbayern ging am Donnerstag von bis zu 6000 innerhalb von 24 Stunden aus. Die Zahl der Migranten, die seit Samstag in der Landeshauptstadt eintrafen, stieg damit auf rund 40.000.

Flüchtlinge aus Syrien kommen jetzt auch mit Zügen aus Wels (Österreich) in Bayern an. Am Donnerstag erreichten drei Regionalzüge mit rund 350 Migranten Passau. "Das gab es bisher nicht", sagte ein Sprecher der Bundespolizei in Passau und bestätigte einen Bericht des Bayerischen Rundfunks (Bayern 1). Die Neuankömmlinge wurden mit zehn Bussen zur Erstaufnahmeeinrichtung nach Deggendorf gebracht. Bisher waren die Flüchtlingszüge aus Österreich über die Strecke Linz-Salzburg-Rosenheim nach München gefahren.

"Derzeit häufen sich die Signale, dass es schwieriger wird, auf diesen Ansturm zu reagieren", warnte der oberbayerische Regierungspräsident Christoph Hillenbrand. Die Weiterverteilung auf andere Bundesländer sei kompliziert. In Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sei die Situation stark angespannt. Die Verteilung der Flüchtlinge mit Sonderzüge funktioniere nicht so wie erhofft. "Wenn Sonderzüge ausfallen, weichen Flüchtlinge auf reguläre Zugverbindungen aus - und landen am Ende wieder in München." Ein weiteres Drehkreuz sei nicht in Sicht.

Estland und Litauen für Eu-Quote

Die Regierungen von Estland und Litauen haben der Aufnahme der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Zahl an neuen Flüchtlingen zugestimmt. In Lettland hingegen bahnt sich ein Koalitionsstreit über die Brüsseler Vorschläge an.

Estland wolle den neuen Verteilungsschlüssel und die Zahl an umzuverteilenden Flüchtlingen nicht anfechten, sagte Regierungschef Taavi Roivas am Donnerstag in Tallinn der Agentur BNS. Auf den Baltenstaat mit 1,3 Millionen Einwohnern würden nach den Plänen der EU-Kommission 373 zusätzlich Flüchtlinge entfallen. Die Aufnahme von 150 Migranten war bereits zugesagt worden.

Auch in Litauen stimmte die Regierung der Umsiedlung von insgesamt 1105 Flüchtlingen aus Drittstaaten bis Ende 2017 zu. Der EU-Ausschuss des Parlaments muss noch zustimmen. Litauen wollte bisher 325 Flüchtlinge aufnehmen. In Lettland hingegen haben die beiden Koalitionspartner der Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma Vorbehalte. Medienberichten zufolge lehnen das Bündnis der Bauern und Grünen und die Nationale Allianz die Aufnahme von mehr als den bisher zugesagten 250 Flüchtlingen ab.