Das EU-Parlament hat die Türkei aufgefordert, den Völkermord an Armeniern vor 100 Jahren im Osmanischen Reich anzuerkennen. In der Resolution wird die Türkei auch aufgefordert, "das Gedenken an den 100. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern zum Anlass zu nehmen, ihre Bemühungen, einschließlich der Gewährung des Zugangs zu den Archiven, fortzusetzen, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen".

Armenien und die Türkei werden vom EU-Parlament aufgefordert, "sich Beispiele für eine erfolgreiche Aussöhnung europäischer Nationen zum Vorbild zu nehmen und eine Agenda in den Mittelpunkt zu rücken, bei der die Zusammenarbeit der Völker an erster Stelle steht". Beide Länder sollten ohne Vorbedingungen ihre 2009 vereinbarten Protokolle über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen ratifizieren und umsetzen, die Grenze öffnen und ihre Beziehungen insbesondere im Hinblick auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die wirtschaftliche Integration aktiv verbessern, verlangten die EU-Abgeordneten.

Erster Schritt zur Aussöhnung

Das EU-Parlament erinnerte daran, "dass immer mehr (EU-)Mitgliedstaaten, einschließlich ihrer Parlamente, den im Osmanischen Reich begangenen Völkermord an den Armeniern anerkennen".

"Nur dadurch kann ein erster Schritt für eine aufrichtige Aussöhnung zwischen dem armenischen und dem türkischen Volk gesetzt werden", sagte der SPÖ-EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer. "Wir gedenken heute im EU-Parlament der Opfer des ersten systematischen Völkermordes des 20. Jahrhunderts. Während des Ersten Weltkrieges wurde das begonnen, was sich 25 Jahre später im Zweiten Weltkrieg in der Vernichtung von Juden und Roma und Sinti wiederholen sollte. Nur durch Erinnern und das Eingestehen von Schuld ist es möglich, Fehler der Vergangenheit nie wieder zu begehen."

"Die Bezeichnung des Völkermords als Völkermord ist wichtig", sagte die Grüne Vizepräsidentin des Europaparlaments, Ulrike Lunacek. Die Türkei müsse dies anerkennen. Lunacek verwies darauf, dass Österreich-Ungarn und das Deutsche Kaiserreich im Ersten Weltkrieg mit dem Osmanischen Reich verbündet waren. Als Völkermord haben mehr als 20 Einzelstaaten, darunter Belgien, Schweden, die Schweiz und Frankreich, die Gräueltaten eingestuft. Österreich und Deutschland sind nicht darunter.

Das EU-Kandidatenland Türkei hat sich entgegen der Meinung zahlreicher Historiker bisher geweigert, die Gräueltaten an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren als "Völkermord" anzuerkennen. Am vergangenen Sonntag hatte Papst Franziskus die Gräueltaten als "ersten Völkermord im 20. Jahrhundert" eingeordnet. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Papst am Dienstag davor gewarnt, einen solchen "Unsinn" zu wiederholen.

Zuvor hatte die EU-Kommission die Türkei und Armenien zu weiteren Schritten in Richtung Versöhnung aufgefordert. Versöhnung ist eine zentrale Grundlage des europäischen Projekts und der europäischen Werte, betonte die EU-Behörde. Bereits 1987 hat das Europäische Parlament den Völkermord an den Armeniern anerkannt.

Armenier in der ganzen Welt erinnern am 24. April an den Jahrestag des Beginns der Vertreibungen. Bei etwa zwei Jahre dauernden Deportationen und Massakern starben laut armenischen Schätzungen bis zu 1,5 Millionen Menschen, für sie ist es ein "Völkermord". Die Türkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches geht von deutlich weniger Opfern aus. Die osmanische Führung warf den christlichen Armeniern vor, mit dem Weltkriegs-Gegner Russland zusammenzuarbeiten.