Frankreichs Präsident Francois Hollande hat in dem eskalierenden Ukraine-Konflikt ganz offen vor einem "umfassenden" Krieg gewarnt. Hollande sagte bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Paris, in wenigen Monaten habe sich die Lage von einem Streit zu einem Konflikt und dann zum Krieg entwickelt.

"Wir sind im Krieg, und in einem Krieg, der umfassend sein kann." Frankreich und Deutschland hätten hier eine "besondere Verantwortung", sagte er. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der Staatschef reisen am Donnerstagnachmittag zu Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko nach Kiew und am Freitag zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Moskau.

Poroschenko drängt auf Waffenhilfe

Immer mehr Zivilsten kommen in der Ukraine ums Leben. Während der ukrainische Präsident angesichts der Übermacht der von Russland militärisch unterstützten Separatisten um Waffenhilfe ruft und heute US-Außenminister John Kerry in Kiew empfing, kündigten Deutschland und Frankreich überraschend eine neue Vermittlungsinitiative an. Merkel ist strikt gegen Waffenlieferungen, in den USA ist die Regierung in dieser Frage gespalten. Unterdessen weitete die EU ihre Sanktionsliste um 19 Menschen sowie neun Institutionen aus. Die EU-Botschafter der 28 Mitgliedstaaten hätten am Donnerstag beschlossen, die Strafmaßnahmen unter anderem auf fünf Russen und eine russische Institution auszudehnen.

Poroschenko hatte zuvor erklärt, unter anderem solle die NATO "moderne Waffen zum Schutz und der Gegenwehr gegen den Aggressor" zur Verfügung stellen. Die Ukraine wolle den Frieden. "Aber den Frieden muss man verteidigen, dazu brauchen wir eine starke Armee mit neuen modernen Waffen." Poroschenko wiederholte frühere Äußerungen, nach denen Tausende russischer Soldaten in der Ukraine seien. Kerry bezeichnete die russische "Aggression" als die größte Bedrohung für die Ukraine.  Moskau müsse sich "sofort für eine wirkliche Waffenruhe" einsetzen. Zu welchen Schlüssen er mit Poroschenko bezüglich möglicher US-Waffenlieferungen gekommen war, sprach Kerry nicht an.

Russland dagegen hat die USA vor der Aufrüstung der ukrainischen Regierungstruppen gegen die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine gewarnt. Die Lieferung von Waffen an Kiew könnte "den russisch-amerikanischen Beziehungen kolossalen Schaden" zufügen, sagte der russische Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch. 

Nach Ansicht des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier droht derzeit die Ausweitung der bisher begrenzten Kämpfe zwischen Armee und Separatisten zu einem Flächenbrand. Er warnte am Donnerstag vor einem "völligen Kontrollverlust" bei den militärischen Auseinandersetzungen.

Angst vor Eskalation

US-Vizepräsident Joe Biden schloss eine Waffenlieferung an die Ukraine indes so gut wie aus. "Wir haben von Beginn an gesagt, dass es für diese Krise keine militärische Lösung gibt", sagte Biden der "Süddeutschen Zeitung" vom Donnerstag. "Wir haben kein Interesse an einer militärischen Eskalation und dringen darauf, dass das Gegenteil eintritt."

Die Diskussion um Waffenlieferungen an die Ukraine beschäftigt Washington seit Tagen. Zuletzt hatte der Kandidat von US-Präsident Barack Obama für das Amt des Verteidigungsministers, Ashton Carter, seine Unterstützung für Waffenlieferungen an die Ukraine erkennen lassen.

Anfang der Woche hatte die "New York Times" unter Berufung auf namentlich nicht genannte hohe Regierungsbeamte gemeldet, das Weiße Haus denke über die Lieferung tödlicher Defensiv-Waffen nach. Unter anderem wurden Panzerabwehrraketen und Artillerieradar ins Gespräch gebracht. Bisher helfen die USA mit Material im Wert eines dreistelligen Millionenbetrages. Dazu gehören etwa Fahrzeuge, Schutzwesten oder allgemeine Radargeräte.

In der Ukraine selbst hielten die Gefechte im Osten des Landes unvermindert an: Nach dem Beschuss eines Krankenhauses in Donezk schlugen am Abend Raketen im Südwesten der Stadt ein, wie ein AFP-Korrespondent berichtete. Bei dem Angriff auf die Klinik wurden vier Zivilisten getötet. Die ukrainische Staatsanwaltschaft machte die Rebellen dafür verantwortlich.

Nordwestlich von Donezk setzten die Separatisten ihre Offensive fort. Prorussische Kämpfer rückten weiter auf die von der ukrainischen Armee kontrollierte Stadt Debalzewe vor. Der Ort stehe unter Dauerbeschuss, sagte ein Vertreter des Innenministeriums. "Wir versuchen, Medikamente reinzubringen und die Zivilisten unter feindlichem Feuer in Sicherheit zu schaffen."

Der Bahnknotenpunkt zwischen Donezk und Lugansk ist seit einer Woche heftig umkämpft. Die Rebellen versuchen, die ukrainischen Truppen dort einzuschließen. Die ukrainische Armee erklärte, die Separatisten hätten einen Infanterieangriff gestartet, seien jedoch nach fünf Stunden zurückgeschlagen worden. Demnach wurden binnen 24 Stunden vier Soldaten getötet und 25 weitere verletzt. Zudem gab es acht zivile Opfer. Seit vergangenem Frühjahr wurden in der Ostukraine mehr als 5.350 Menschen getötet.

US-Außenminister Kerry reist am Donnerstag nach Kiew, um der ukrainischen Regierung seine Unterstützung zuzusichern. Vorgesehen sind Gespräche mit seinem Kollegen Pawlo Klimkin sowie mit dem Präsidenten Poroschenko und dem Regierungschef Arseni Jazenjuk. Nach Angaben des US-Außenministeriums soll bei den Gesprächen erörtert werden, wie sich die angespannte Lage in der Ukraine deeskalieren lässt.