Die Europäischen Zentralbank ist nach Darstellung ihres Chefs Mario Draghi bei der Wahrung der Preisstabilität stärker gefordert als noch vor einem halben Jahr. "Das Risiko, dass wir unser Mandat der Preisstabilität nicht erfüllen, ist jedenfalls höher als vor sechs Monaten", sagte der EZB-Präsident in einem "Handelsblatt"-Interview.

Die Inflationsrate sei im Durchschnitt bei 0,3 Prozent seit Juli gelegen. Die EZB befinde sich aber in "technischen Vorbereitungen, um den Umfang, das Tempo und die Zusammensetzung unserer Maßnahmen Anfang 2015 zu verändern, sollte dies notwendig werden, um auf eine zu lange Periode zu niedriger Inflation zu reagieren." Darin bestehe Einstimmigkeit im EZB-Rat.

Das Risiko einer Deflation, also eines Verfalls von Preisen und Löhnen, sei "nicht ganz ausgeschlossen, aber es ist begrenzt", sagte Draghi. Wenn die Inflation aber lange zu niedrig bleibe, könnten "die Leute auf weiter sinkende Preise setzen und ihre Ausgaben einfach verschieben". So weit sei es noch nicht. "Aber wir müssen gegen dieses Risiko angehen."

Die höchsten Steuern der Welt

Draghi drängte die EU-Regierungschefs zu mehr Reformen. Europa habe die höchste Steuerlast der Welt, das sei ein "schwerer Wettbewerbsnachteil". Eine Kursänderung der EZB sei auch eine Reaktion darfauf, dass die Regierungen zu wenig aktiv seien im Kampf um Wachstum und gegen Arbeitslosigkeit.

Draghi erläuterte, der Kauf von Staatsanleihen sei eines der Werkzeuge, das die EZB zur Erfüllung ihres Mandats nutzen könne. Allerdings dürfe es nicht zur Staatsfinanzierung kommen.