Seit Ausbruch der Ukraine-Krise ist es nach einem Bericht des Magazins "Der Spiegel" mehrfach zwischen Russland und dem Westen zu militärischen Zwischenfällen gekommen, die zu Toten oder gar einer militärischen Auseinandersetzung hätten führen können. Allein in den vergangenen acht Monaten habe es 40 brenzlige Situationen gegeben, berichtete das Magazin am Sonntag.

Dazu gehöre ein Beinahezusammenstoß einer skandinavischen Passagiermaschine mit einem russischen Aufklärungsflugzeug, das seine Position nicht übermittelt habe. Dies gehe aus einer Studie des European Leadership Network in London (ELN) hervor, die am Montag veröffentlicht werden solle.

"Hier wird ein gefährliches Spiel mit dem äußersten Risiko gespielt", sagt Ex-Verteidigungsminister und ELN-Mitglied Volker Rühe (CDU) dem Magazin. "Alle Parteien, besonders Russland, sollten militärische Zurückhaltung üben." Auch die Entführung eines estnischen Geheimdienstlers sowie die Jagd der schwedischen Marine auf ein mutmaßliches russisches U-Boot werden laut "Spiegel" als besonders kritische Ereignisse erwähnt. Weitere elf Vorkommnisse schätze das ELN als ernsthaft ein, weil sie "provozierend" und "aggressiv" gewesen seien.

Die NATO hatte Ende Oktober über mehrere Vorfälle mit russischen Militärflugzeugen berichtet. Binnen 24 Stunden hätten NATO-Flugzeuge vier Gruppen mit russischen Maschinen angefangen. Eine derart hohe Zahl von Einsätzen habe es in den vergangenen Jahren nur selten gegeben. Nach Angaben der Luftwaffe des NATO-Mitgliedes Norwegen flogen russische Flugzeuge von Stützpunkten in der Arktis bis nach Portugal. Sie seien über internationalen Gewässern geblieben, den Grenzen der Mitgliedstaaten aber so nahegekommen, dass Jets losgeschickt worden seien.

In der ostukrainischen Rebellenhochburg Donezk hat es am Sonttag unterdessen die heftigsten Gefechte seit der Einigung auf eine Waffenruhe Anfang September gegeben. In unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum war in der Nacht zum Sonntag Artilleriefeuer zu hören.

OSZE-Beobachter zur Überwachung der Waffenruhe hatten nahe der von prorussischen Rebellen kontrollierten Städte Donezk und Makijiwka Konvois mit Panzern, Truppentransportern und Haubitzen gesichtet, wie die Organisation in der Nacht mitteilte. Der Schweizer Außenminister und amtierende OSZE-Präsident Didier Burkhalter zeigte sich "sehr besorgt" über ein mögliches Wiederaufflackern der Gewalt in der Ostukraine. Er rief die Konfliktparteien auf, alles zu tun, um die vereinbarte Waffenruhe zu stabilisieren.

Nach Angaben Kiews wurden seit Freitag neun ukrainische Soldaten getötet. Die UNO gab die Zahl der Toten in den vergangenen sieben Monaten mit mehr als 4.000 an.

Unterdessen erklärte der niederländische Außenminister Bert Koenders, dass die Opfer des im Juli über der Ostukraine mutmaßlich abgeschossenen Malaysia-Airlines-Flugzeugs möglicherweise nicht alle geborgen werden können. Derzeit sei nicht klar, "wann und sogar ob" die letzten neun Opfer geborgen und identifiziert werden könnten, sagte Koenders am Samstag bei einem Besuch der Unglücksstelle. Fünf Särge mit den sterblichen Überresten von Opfern trafen unterdessen in den Niederlanden ein. Da 193 der 298 Todesopfer Niederländer waren, leitet Den Haag die Ermittlungen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow ging nicht näher auf den Vorwurf der ukrainischen Führung ein, wonach am Freitag 32 Panzer und andere Militärfahrzeuge aus Russland in die Ostukraine eingedrungen sein sollen.