Mehr als 250.000 Menschen waren am Wochenende in vielen deutschen Städten gegen die Atomkraft auf die Straße gegangen. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz machten gestern auch die Wähler an der Urne ihre Ablehnung für Atomkraftwerke deutlich. In beiden Ländern legten die Grünen massiv zu, in Baden-Württemberg werden sie sogar wahrscheinlich das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik in einem Land den Ministerpräsidenten stellen. Der Spitzenkandidat der Grünen, Winfried Kretschmann, sprach deshalb von einem "historischen Wahlsieg". Er will nun zusammen mit der SPD eine Regierung bilden und die CDU ablösen. Der SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid sagte sichtbar erleichtert: "20.997 Tage - wir haben es geschafft, der Wechsel ist da!" Der bisherige Regierungschef Stefan Mappus gestand die Niederlage ein: "Das ist ein bitterer Tag für die CDU und auch ein bitterer Tag für mich persönlich."

Umfragen hatten gezeigt, dass gerade in Baden-Württemberg für die Wähler die Energiepolitik das wichtigste Thema noch vor der Wirtschaftspolitik war. Hier hatte sich die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima niedergeschlagen. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte in Berlin: "Heute ist die endgültige Entscheidung über das Aus der Atomenergie in Deutschland getroffen worden."

Gerade Baden-Württemberg ist besonders stark von Strom aus Kernenergie geprägt. Ministerpräsident Mappus war im vergangenen Jahr ein starker Befürworter der von der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossenen Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke gewesen. Im vergangenen Dezember hatte er dann dem französischen Konzern EdF für fast fünf Milliarden Euro dessen Anteile am baden-württembergischen Versorger EnBW abgekauft. Die Stromerzeugung von EnBW basiert zu mehr als 50 Prozent auf Atomenergie.

Die wieder aufgebrochene Auseinandersetzung über die Sicherheit deutscher AKW nach Fukushima und die Aussetzung der Laufzeitverlängerung hatte die Glaubwürdigkeit von Mappus stark beschädigt. Auch der Dauerstreit um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 hat die CDU und ihrem Stuttgarter Koalitionspartner FDP viele Stimmen gekostet, während die Grünen stark davon profitierten.

Schlappe für die FDP

Überhaupt sind die Grünen die großen Wahlsieger vom Sonntag, während die Sozialdemokraten sowohl in Baden-Württemberg als auch in Rheinland-Pfalz Stimmenverluste verbuchten. Auffällig oft sagten SPD-Vertreter am Abend, mit den Grünen "partnerschaftlich und auf Augenhöhe" sprechen zu wollen. In Rheinland-Pfalz wird der seit 16 Jahren regierende Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) zwar weiter im Amt bleiben, hat aber die absolute Mehrheit im Landesparlament verloren und muss eine Koalition mit den Grünen eingehen. Die rheinland-pfälzische Spitzenkandidatin der CDU, Julia Klöckner, wertete die leichten Zugewinne für ihre Partei als Erfolg. Fast hatte sie sogar das Niveau der SPD erreicht. In fünf Jahren werde sie nun den nächsten Anlauf nehmen, um Beck abzulösen, kündigte Klöckner an.

Der größte Wahlverlierer des Abends war die FDP. In beiden Bundesländern wurde ihr Stimmenanteil halbiert. In Rheinland-Pfalz scheiterte sie sogar klar an der Fünf-Prozent-Hürde und ist nicht mehr im Parlament vertreten. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte am Abend mit Blick auf seine Partei: "Wir werden uns in einigen Teilen personell neu aufstellen müssen - unter der Führung von Guido Westerwelle."

Fast unbemerkt blieben die Linken. Sie konnten von der Krise der Bundesregierung nicht profitieren und verpassten den Sprung in beide Länderparlamente.