Lang hat Barack Obama gezögert, auf den Vormarsch der islamistischen Mörderbanden im Irak zu reagieren. Selbst die Tatsache, dass die Kämpfer des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) die Hauptstadt Bagdad bedrohen, bewog ihn nicht zu einem entschlossenen militärischen Eingreifen. Doch jetzt, da die IS-Terroristen vor der nordirakischen Stadt Erbil stehen und drohen, die Volksgruppe der Jesiden auszulöschen, handelt der oberste Kriegsherr der USA. Er ordnete an, die Dschihadisten aus der Luft zu bombardieren, Waffen an die Kurden im autonomen Nordirak zu liefern und Hilfsgüter für die verfolgten Jesiden abzuwerfen. Und er betreibt druckvoll den Abgang des irakischen Premiers Nuri al-Maliki, dem das eigene politische Hemd viel näher ist als die Jacke eines irakischen Gesamtstaates.


Nur eines wird Barack Obama nicht tun: Bodentruppen in den Irak entsenden und sich damit neuerlich in einen Konflikt verstricken, den sein Vorgänger George W. Bush durch den US-Einmarsch vor elf Jahren angeheizt hat und den Washington trotz zehnjähriger Militärpräsenz nicht lösen konnte.
Auch weiß Obama, dass jedes intensive Militärengagement der USA in der Region ein Alleingang wäre. Denn weder Briten noch Franzosen und erst recht nicht die Deutschen würden einen Finger rühren.
Sie verharren – quer durch alle politischen Lager – in einer Art Schockstarre ob der Grausamkeit der Dschihadisten und der Tatsache, dass sich diese Fanatiker nicht mit Friedensappellen und schönen Worten aufhalten lassen. Humanitäre Hilfe zu versprechen, das ist der gemeinsame Nenner, auf den sich die Granden der europäischen Politik einigen können – sofern sie nicht gerade auf Sommerurlaub weilen.


Ob man den Kurden Waffen liefern soll, darüber herrscht in den europäischen Hauptstädten hingegen Uneinigkeit. Aber sehr sinnvoll wäre es ohnedies nicht. Denn die Kurden verfügen bereits über ein beachtliches Waffenarsenal – zum Großteil Beutewaffen der von den Russen einst hochgerüsteten Armee Saddam Husseins, aber auch neues US-Gerät. Mit europäischen Waffen könnten die darauf nicht ausgebildeten Kurden-Kämpfer wenig anfangen, mit amerikanischen schon.
Europas Politik kann sich also wieder einmal auf das beschränken, was sie in einem derartigen Krisenfall von der amerikanischen unterscheidet: Sie reagiert empört bis schockiert, macht ein paar Millionen Euro für Hilfsgüter locker – und verspricht höhere Flüchtlingskontingente. Derweilen handelt die US-Politik schon.


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