Ich glaube, jeder von uns kennt sie: Die Frau, die von den Mücken dieser Welt mehr geliebt wird als alle anderen Menschen. Neulich bin ich ihr wieder begegnet. Es war ein schöner Spätsommerabend, wir saßen als Gruppe draußen am Tisch, pastellfarbener Sonnenuntergang, und ich fragte, ob es vielleicht ein guter Moment sei für den Einsatz von Mückenspray.
„Du brauchst kein Mückenspray“, trat Mückes Lieblingsfrau (an Tischrunden mit mehr als drei Frauen immer zugegen) mutig hervor: „Denn ich bin da“. Und wenn sie da sei, werde niemand gestochen, nur sie. Sie warf ihr seidig glattes Haar nach hinten. Sie lächelte mit strahlender Zufriedenheit. Natürlich war die Frau attraktiv — das ist Mückes Liebling immer. Nun, da sie sich als Vielgestochene zu erkennen gegeben hatte, war ihr die Aufmerksamkeit sicher. Alle lachten, sie selbst am lautesten, und sie wiederholte: Es sei wahr! Mücken liebten sie! Der beste Schutz gegen Mücken sei also, wenn sie in der Nähe sei. (Leider wurden einige von uns weniger Beliebten trotzdem gestochen.)
Freud und die Sexualmetapher
Man weiß dann nicht, was man sagen soll. Es tut mir leid? Du Arme? Mitleid scheint nicht zu passen, denn dafür wirken diese Frauen zu stolz, zu glücklich. Worum geht es also?
Ein Tier mit keck ausgerecktem Stachel, das auf einen „fliegt“, das, wenn man so will, die Haut „penetriert“: Ich glaube, wir müssen Freud nicht mal aus dem Grab holen, um zu dem Schluss zu kommen, dass es sich um eine Sexualmetapher handelt. Die Frau sagt etwas scheinbar Bemitleidenswertes („Ich werde dauernd gestochen!“), will damit aber ausdrücken, dass sie wahnsinnig anziehend ist. „Herzlichen Glückwunsch!“, wäre also die richtige Reaktion.
Bleibt nur noch zu klären, ob die Helena der Mücken, die Frau mit dem „süßen Blut“, das schöne Vampiropfer überhaupt existiert.
Bis heute kursieren seltsame Mythen rund um die Frage, was Mücken anzieht. Das fängt beim Licht an: Tatsächlich ist es Mücken egal, ob Licht brennt oder nicht. Sie folgen nur der Geruchsspur von CO₂. Ähnlich verhält es sich mit dem „süßen Blut“, das Frauen gerne ins Feld führen, um ihre Attraktivität auf Mücken zu erklären. Mücken können den Zuckergehalt im Blut aber nicht messen. Was sie interessiert, ist Körperwärme. Und da die Haut von Kindern und Frauen dünner ist als die von Männern und deshalb etwas mehr Wärme abgibt, werden sie häufiger gestochen.
Was aber alle Frauen betrifft und nicht nur diejenigen, die jeden Mückenstich als ein „Like“ auffassen.
Claudia Schumacher