Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau hat am Mittwoch eine politische Schlappe erlitten. Eine kleine Partei, die seine liberale Minderheitsregierung an der Macht hält, zog ihre Unterstützung zurück. Der Regierungschef wird nun die Unterstützung der Oppositionsabgeordneten im Unterhaus suchen müssen, wenn er den Haushalt verabschieden und Vertrauensabstimmungen überstehen will.

Wahlen als Bewährungsprobe

Der Schritt bedeutet aber nicht, dass Trudeau in unmittelbarer Gefahr ist, zurücktreten und Neuwahlen ausrufen zu müssen. Jagmeet Singh, Vorsitzender der sozialdemokratischen Partei „New Democrats“ (NDP) erklärte in einem Video, dass er von einer Vereinbarung zurücktrete, die er mit Trudeau im Jahr 2022 getroffen habe. Darin hatte sich die NDP bereit erklärt, Trudeau bis Mitte 2025 an der Macht zu halten. Im Gegenzug sollten die Sozialausgaben steigen. Die NDP gilt als Mitte-Links Bündnis.

In dem Video sagte Singh, Trudeau sei nicht in der Lage, sich für die Mittelschicht einzusetzen. Jüngste Umfragen deuten darauf hin, dass Trudeau, der seit rund neun Jahren im Amt ist, bei einer Neuwahl deutlich gegen die oppositionellen Konservativen verlieren würde.

„Die Liberalen sind zu schwach, zu egoistisch und zu sehr den Unternehmensinteressen verpflichtet, um die Konservativen und ihre Sparpläne aufzuhalten. Die NDP hingegen kann das“, schrieb Singh auf dem Kurznachrichtendienst X. Schon länger hatte es Gerüchte gegeben, die Partei könnte ihre Unterstützung der Regierungspartei aufkündigen. In Kanada gibt es traditionell keine Koalitionen, Trudeaus Liberale regierten jedoch ohne Mehrheit im Parlament und versprachen der NDP linksliberale politische Projekte im Gegenzug für ihre Unterstützung.

Schlechte Umfragewerte für Trudeau

Trudeau hat seit Jahren mit schlechten Umfragewerten zu kämpfen. Vorne dagegen ist der konservative Parteichef Pierre Poilievre, den viele als wahrscheinlichsten Gewinner der kommenden Wahl sehen, die spätestens im Herbst 2025 stattfinden soll. Singhs Schritt wird nun als Maßnahme gesehen, um seine Partei von den Liberalen abzusetzen und ihre Chancen bei der Abstimmung zu erhöhen.

Für Trudeau, der seit 2015 Ministerpräsident ist, wird das Regieren nun deutlich komplizierter, wenn auch nicht unmöglich. Für jedes große Vorhaben muss seine Regierung ab sofort die Zustimmung einer anderen Partei gewinnen, um eine nötige Mehrheit zu erreichen

Trudeaus Stern als Polit-Superstar war in den letzten Jahren deutlich gesunken. Zwar wird ihm zugeschrieben, Kanada bei Themen wie Versöhnung mit den Indigenen, Feminismus, Klimakrise und Abtreibungsrechten in die Zukunft geführt zu haben. Doch Skandale wie unterdrückte Korruptionsermittlungen kratzten zunehmend an seinem Image.