Die Hisbollah im Libanon hat Israel am frühen Morgen als Vergeltung für die Tötung eines ranghohen Kommandeurs mit Hunderten Raketen und Drohnen angegriffen. Die „erste Phase“ der Reaktion auf die Ermordung ihres Kommandeurs Fuad Schukr im vergangenen Monat sei abgeschlossen, verkündete die mit Iran verbündete schiitische Miliz inzwischen. Alle Geschoße seien wie geplant auf israelische Ziele abgefeuert worden. Eine vollständige Antwort werde „einige Zeit“ dauern, warnte sie zugleich.

Nach israelischen Medienberichten wurden 200 Raketen und rund 20 Drohnen vom Libanon aus auf Israel abgefeuert und zu einem großen Teil abgefangen. Laut dem israelischen Rettungsdienst gab es zunächst keine Meldungen über Verletzte.

Bilder der Zerstörung:

Die israelische Armee erkannte nach eigenen Angaben „die unmittelbare Gefahr für die Bürger des Staates Israel“ und begann zuvor in einem „Akt der Selbstverteidigung“, zahlreiche Ziele im Süden des Libanon zu attackieren. Rund 100 Kampfflugzeuge hätten Ziele der Hisbollah im Südlibanon angegriffen, erklärte die Armee. Die Raketenabwehr, Marine und Luftwaffe seien an den Angriffen beteiligt gewesen. Die Angaben beider Konfliktparteien konnten unabhängig zunächst nicht überprüft werden.

Bei den israelischen Angriffen wurden dem libanesischen Gesundheitsministerium zufolge drei Menschen getötet. Beim gegenseitigen Beschuss der Hisbollah und Israels kamen in den vergangenen Monaten Dutzende Zivilisten auf beiden Seiten der Grenze ums Leben.

Die israelischen Streitkräfte (IDF) flogen am Sonntag nach eigenen Angaben weitere Angriffe auf Raketenabschussrampen der Hisbollah im Süden des Libanon. „Innerhalb der letzten Stunde hat die IDF mehrere Abschussrampen der Hisbollah in verschiedenen Gebieten im Süden des Libanon angegriffen, um Bedrohungen zu beseitigen“, hieß es in einer Erklärung des Militärs.

Israel attackierte zuvor zahlreiche Ziele im Süden des Libanon
Israel attackierte zuvor zahlreiche Ziele im Süden des Libanon © AFP / Kawnat Haju

Nach Darstellung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu konnte Israel die Angriffsvorbereitungen der Hisbollah im Vorfeld identifizieren und mit seinen Angriffen im Libanon eine großangelegte Attacke vereiteln. In Absprache mit Verteidigungsminister Yoav Gallant und Militärchef Herzi Halevi habe er die Armee angewiesen, „die Bedrohung zu entfernen“, erklärte Netanyahu am Sonntag.

Die Armee habe Tausende Raketen zerstört, die auf den Norden Israels gerichtet gewesen seien, sowie „viele andere Bedrohungen entfernt“. Das Militär sei mit großer Macht im Einsatz, sowohl in der Defensive als auch in der Offensive. Netanyahu rief die Bürger Israels auf, den Anweisungen des Militärs Folge zu leisten.

Israel verhängte den landesweiten Ausnahmezustand. Er gelte seit sechs Uhr Ortszeit (fünf Uhr MESZ) für die nächsten 48 Stunden, sagte Verteidigungsminister Gallant. Der Rettungsdienst rief laut Medien die höchste Bereitschaftsstufe aus. Bei dem Angriff der Hisbollah seien drei Wohnhäuser getroffen worden, davon eines in der Küstenstadt Akko.

Die Hisbollah deutete an, dass sie ihren Vergeltungsangriff zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen werde. „Bis zum Ende dieser Militäreinsätze wird einige Zeit vergehen“, erklärte die Miliz. Sie kündigte auch eine Rede ihres Generalsekretärs Hassan Nasrallah an.

Aus libanesischen Sicherheitskreisen hieß es, Israel habe mindestens 40 Ziele im Südlibanon angegriffen. Örtlichen Behörden zufolge wurden dabei zwei Menschen verletzt. Kampfflugzeuge hätten unter anderem Strom- und Wasseranlagen getroffen, berichteten die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA und Sicherheitskreise.

Die „New York Times“ zitierte einen westlichen Geheimdienstmitarbeiter, wonach sich Israels Angriff gegen Raketenwerfer im Libanon gerichtet habe, die so programmiert worden seien, dass sie um fünf Uhr Ortszeit in Richtung Tel Aviv abgefeuert werden sollten.

Die israelische Nachrichtenseite „ynet“ berichtete unter Berufung auf eine nicht namentlich genannte Quelle, die Hisbollah habe einen Angriff auf eine „strategische Einrichtung im Bereich von Tel Aviv“ geplant, einschließlich eines möglichen Angriffs auf den Flughafen Ben-Gurion. Nach libanesischen Angaben flogen Israels Kampfflugzeuge unter anderem nahe der Küstenstadt Tyros im Süden des Libanon und griffen in mehreren Dörfern an.

Israel hatte am 30. Juli den Hisbollah-Kommandanten Fuad Shukr in Beirut gezielt getötet. Er soll für den Beschuss der Golanhöhen mit zwölf Toten wenige Tage zuvor verantwortlich gewesen sein.