„So oft treffen sich nur Liebende.” Diese sarkastischen Worte sagte der ehemalige ungarische Außenminister Géza Jeszenszky (1990–1994) kürzlich gegenüber der Wochenzeitung “hvg”, als man ihn zur Häufigkeit der Treffen von Ungarns Premier Viktor Orbán mit Kremlchef Wladimir Putin, dem chinesischen Machthaber Xi Jinping und Ex-US-Präsident Donald Trump befragte. Die jüngsten Begegnungen Orbáns mit Putin, Xi und Trump Anfang Juli schlugen besonders hohe Wellen, stilisierte sich Orbán doch als selbsternannter Friedensstifter unter dem Banner der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft hoch. Zugleich schaukelt sich seitdem – wohl eher kalkuliert als überraschend – Orbáns Konflikt mit Brüssel auf. Während des ungarischen EU-Ratsvorsitzes werden keine EU-Kommissare an informellen Ministertreffen in Budapest teilnehmen. Auch haben die Regierungen mehrerer EU-Staaten angekündigt, ihre Minister nicht zu Ministertagungen nach Budapest zu entsenden.

Dass ihm das daheim in Ungarn schaden würde, zeichnet sich bisher nicht ab. Im Gegenteil: Während Orbán europaweit immer isolierter dasteht, gilt er im Kreis seiner Wählerschaft als Held, der gegenüber den „Kriegstreibern in Brüssel“ als „einzige vernünftige Stimme in Europa“ für den Frieden in der Ukraine eintritt. Orbáns Wähler, die von der Regierungspropaganda in der Endlosschleife eingetrichtert bekommen haben, dass „Brüssel“ Ungarn gegenüber feindlich gesinnt sei, erwarten förmlich solche Husarenritte ihres Premiers auf europäischem Parkett. Orbán hat wiederholt für Eklats im Europäischen Rat gesorgt, indem er Kompromisse der 27 EU-Staaten geradezu mit Wollust torpedierte.

Der bedeutende ungarische Schriftsteller László Darvasi meinte unlängst, dass es in Ungarn zur politischen Folklore gehöre, eine „fixe Idee“ auf Biegen und Brechen zu verfolgen. Diskurse mit anderen zu führen, sich in andere hineinzuversetzen und Kompromisse zu schließen, sei nicht Sache der meisten ungarischen Politiker. Laut Darvasi lässt sich die Maxime Orbáns und seiner Regierung demnach mit dem Satz zusammenfassen: „Das Match dauert so lange, bis wir gewinnen.“

Dass Orbán mit Vorliebe nach Moskau, Peking, aber auch Istanbul reist, ist der sogenannten Ostöffnung Ungarns geschuldet, die der ungarische Premier 2010 einläutete. Die „Ostöffnung” des Landes läuft auf eine wirtschafts- und handelspolitische Hinwendung zu Russland, Türkei, China und dem asiatischen Raum hinaus. Kritiker werfen Orbán vor, dass er bei den Autokraten in Moskau und Peking auch Anleihen in Sachen autoritärer Staatsführung nehme. Und sie kritisieren, dass der ungarische Regierungschef mit Blick auf den Ukrainekrieg Partei für Russland ergreife.

Wichtige Meilensteine der Orbánschen „Ostöffnung“ sind der milliardenschwere Ausbau des Atomkraftwerks im zentralungarischen Paks durch das staatliche russische Unternehmen Rosatom, die Errichtung zweier chinesischer Mega-Werke in der südostungarischen Stadt Szeged (E-Autohersteller BYD) und in der ostungarischen Stadt Debrecen (Akku-Produzent CATL) und die Erneuerung der Zugstrecke Budapest-Belgrad durch chinesische Staatsfirmen. Hinzu kommt, dass Ungarn auf Gedeih und Verderb von russischem Öl und Gas abhängig ist.