Zeugnisverteilung für die EU-Länder: Für Österreich reicht es zum „Befriedigend“ – kein Sorgenkind, aber auch kein Musterschüler. Einmal jährlich veröffentlicht die EU-Kommission ihren „Rechtsstaatsbericht“, in dem die Einhaltung der europäischen Grundwerte und der Rechtsstaatsprinzipien für jedes einzelne Mitgliedsland genau unter die Lupe genommen werden. Manche haben aufzuholen und schlagen sich wacker; so etwa Spanien und Polen, die, wie es EU-Kommissarin Věra Jourová vor Journalisten in Brüssel ausdrückte, „erhebliche Fortschritte“ gemacht hätten. Polen, seit den Wahlen von einer pro-europäischen Regierung unter Ministerpräsident Donald Tusk (EVP) gelenkt, ist mittlerweile auch das Artikel-7-Verfahren wegen grober Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit losgeworden. Ganz im Gegensatz zu Ungarn, das nach wie vor als schwarzes Schaf unter den EU-Ländern gilt.

Ungarn hat laut dem Bericht keine der vor einem Jahr gemachten Vorschläge umgesetzt, sei es bei der Fall-Zuteilung bei erstinstanzlichen Gerichten, bei der Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien oder bei Schikanen für die Zivilgesellschaft. Die EU-Kommission ruft die Regierung in Budapest erneut zu mehreren Reformen auf. Dazu gehört auch eine Verschärfung der Regeln mit Blick auf Lobbying sowie Jobwechsel zwischen Politik und Privatwirtschaft. Aber auch Italien kommt nicht gut weg, hier geht es um den Schutz journalistischer Quellen und die Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien. Rund um die Wahl von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen waren Gerüchte nicht verstummt, wonach der Bericht absichtlich bis jetzt zurückgehalten worden sei, um Georgia Meloni nicht von einer möglichen Unterstützung von der Leyens abzubringen. Dazu befragt, sagte Jourová, man habe ihn bloß nicht zeitgleich veröffentlichen wollen, um mehr Aufmerksamkeit zu erhalten.

Kritik an Österreichs Säumigkeit

Und Österreich? Besonders gut kommen wir auch nicht weg. Die Kommission bemängelt politische Einflussnahme auf Postenbesetzungen in Österreichs Justiz. Das Land habe „keine Fortschritte bei der Beteiligung der Justiz an der Ernennung von Gerichtspräsidenten der Verwaltungsgerichte“ gemacht. Auch gebe es keine Fortschritte bei der Reform der Bundesstaatsanwaltschaft sowie bei den Transparenzregeln für Abgeordnete, ebenso bei der Überwachung von Lobbying. Kritische Erwähnung findet sogar die „Journalistenausbildung durch den Staat“, womit wohl die transformierte „Wiener Zeitung“ gemeint ist.

Österreich wird daher von der EU-Kommission „eine Beteiligung der Justiz an den Verfahren zur Ernennung von Gerichtspräsidenten der Verwaltungsgerichte unter Berücksichtigung der europäischen Standards“ empfohlen. Weiters ist „die Reform zur Errichtung einer unabhängigen Bundesanwaltschaft voranzutreiben“. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf der Korruptionsbekämpfung liegen. Österreich müsse zudem „effiziente Regeln für die Offenlegung von Vermögenswerten und Interessen der Mitglieder des Parlaments, einschließlich wirksamer Überwachungs- und Sanktionsmechanismen“ einführen. Hier gebe es keine Fortschritte.

Auch die Überwachung des Lobbyings wird als verbesserungswürdig gesehen. Bei der „Reform für die Vergabe von staatlicher Werbung durch die Behörden auf allen Ebenen“ werden Fortschritte bescheinigt. Grundsätzlich bezeichnet Brüssel die „Unabhängigkeit der Justiz in Österreich“ als „sehr hoch“, das Justizsystem arbeite „effizient“.