Die französische Nationalversammlung hat bei ihrer ersten Sitzung die Parlamentspräsidentin Yaël Braun-Pivet wiedergewählt. Die Kandidatin vom Regierungslager und treue Verbündete von Präsident Emmanuel Macron setzte sich am Donnerstagabend knapp gegen den Kandidaten des Linksbündnisses durch. Braun-Pivet erhielt 220 Stimmen, der altgediente kommunistische Abgeordnete Andre Chassaigne 207. Die Wahl war der wichtigste Tagespunkt bei der konstituierenden Sitzung.

Die Abstimmung ist eine Niederlage für die Linken. Das Linksbündnis Neue Volksfront (NFP), das aus der vorgezogenen Wahl als stärkste Kraft hervorgegangen war, hatte die Besetzung des Amtes angestrebt.

Knapp zwei Wochen nach der vorgezogenen Neuwahl war die französische Nationalversammlung am Donnerstag in Paris erstmals zusammengetreten, um ihren Vorsitzenden zu wählen. Der kommunistische Abgeordnete André Chassaigne war in der ersten Runde noch mit 200 Stimmen vorne gelegen. In der zweiten Runde führte bereits die bisherige Vorsitzende Yaël Braun-Pivet von der Präsidentenpartei Renaissance mit 210 Stimmen vor Chassaigne mit 202 Stimmen.

Alterspräsident José Gonzales eröffnete die Parlamentssitzung mit einer Hommage an die sieben Toten des Wohnungsbrandes in Nizza, der möglicherweise mit dem Drogenhandel in dem Viertel in Verbindung steht. Die neuen oder wiedergewählten Abgeordneten nahmen in alphabetischer Ordnung Platz, da die Fraktionen erst später gebildet werden. So kamen auch mehrere politische Erzfeinde nebeneinander zu sitzen.

„Es beginnt eine Zeit, in der die Nationalversammlung im Herzen der Politik steht“, sagte Gonzales, bevor er zur Wahl aufrief. In den ersten beiden Runden muss ein Kandidat die absolute Mehrheit erreichen, in der dritten Runde reicht die relative Mehrheit. Für die späteren Runden können sich auch Kandidaten melden, die an der ersten Runde nicht teilgenommen haben.

Handschlag bei Stimmenabgabe verweigert

Zu den sechs Kandidaten zählt die bisherige Vorsitzende Yaël Braun-Pivet, die in der ersten Runde auf 124 Stimmen kam. Die 577 Abgeordneten werden namentlich zur Stimmabgabe aufgerufen und müssen einzeln nach vorn kommen, um ihre Stimmen abzugeben. Dabei kommt traditionell dem jüngsten Abgeordneten die Aufgabe zu, neben der Urne zu stehen und den Wählenden anschließend die Hand zu schütteln. Mehrere Abgeordnete verweigerten dies jedoch, da der 22-jährige Flavien Termet der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National angehört.

Um 18.00 Uhr lief zudem die Frist ab, bis zu der sich die Fraktionen aufstellen mussten. Es zeichnete sich die Bildung von elf Fraktionen in der Nationalversammlung ab, eine mehr als zuvor und damit eine neue Höchstzahl. Die neuen Fraktionen geben erste Hinweise auf eine mögliche Regierungsmehrheit. Bisher war dies schwer möglich, weil die Zugehörigkeit vieler Abgeordneten noch unklar war.

Geschäftsführende Regierung

Präsident Emmanuel Macron hatte die Neuwahlen zum Parlament nach dem Triumph des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) bei der Europawahl angesetzt. Aus der Wahl gingen drei Blöcke hervor, die jeweils die absolute Mehrheit verfehlten und deren Programme kaum miteinander vereinbar sind. Bis ein neuer Premierminister ernannt ist und eine neue Regierung gebildet wird, bleibt daher die bisherige Regierung von Premierminister Gabriel Attal geschäftsführend im Amt.

Das linke Wahlbündnis Neue Volksfront, das 192 Mandate eroberte und damit als Sieger aus der Parlamentswahl hervorging, konnte sich bisher nicht auf einen Kandidaten für das Amt des Premierministers einigen. Zudem spaltet es sich in der neuen Nationalversammlung in mehrere Fraktionen auf: Die Linkspopulisten haben nach der jüngsten Zählung 72 Abgeordnete, etwas weniger als in der vorherigen Legislaturperiode, aber sie bilden damit immer noch die größte Fraktion innerhalb des Bündnisses. Mehrere Abweichler wechseln in die Fraktion der Grünen. Die Sozialisten verdoppeln die Zahl ihrer Abgeordneten auf 66, unter ihnen auch Ex-Präsident François Hollande.

Das Regierungslager, das drei Parteien umfasst, hat nur noch 165 Abgeordnete, vor den vorgezogenen Wahlen waren es noch 250 gewesen. Zu ihnen zählen auch Premierminister Attal und mehrere weitere Regierungsmitglieder. Nach der französischen Verfassung dürfen Regierungsmitglieder eigentlich nicht gleichzeitig Abgeordnete sein. Es gibt aber eine Ausnahme für Mitglieder einer Regierung, die nur geschäftsführend im Amt ist. Dies ist der Fall, seit Macron den Rücktritt der Regierung am Dienstag angenommen hat.

Der rechtspopulistische RN kommt auf 123 bis 126 Abgeordnete, deutlich mehr als die 88 vor der Wahl. Er wird unterstützt von der Fraktion um den abtrünnigen Chef der Republikaner, Eric Ciotti, die 16 Abgeordnete umfasst.