Wie oft kann man sich anhören, dass Amerika das allergrößte und allerbeste Land ist, das in der gesamten Geschichte der Menschheit jemals auf diesem Planeten existiert hat? Auf dem Parteitag der Republikaner in Milwaukee, Wisconsin: Sehr oft. Jeder Politiker, jeder Delegierte betont laufend, wie groß und wunderbar Amerika sei, insbesondere, wenn endlich wieder der heldenhafte, grundgütige Donald Trump, zäh wie ein Wrestler, hart wie eine Gewehrkugel, ins Weiße Haus einrücken würde. Und nach vier Tagen von „USA! USA! USA!“-Rufen, patriotischer Musik, Luftballons, Frauen im Flaggenrock und Delegierten, die mit Cowboyhüten wedeln und Plakate tragen: „Fire Joe Biden“, hat man das Gefühl, das werde auch passieren.

Das Parteitagsgelände ist weiträumig abgesperrt, überall Checkpoints, hunderte von schwer bewaffneten Polizisten und Soldaten beobachten argwöhnisch jeden Schritt. Aber die Stimmung ist freundlich. Draußen erstreckt sich eine bunte Meile mit lokalen Spezialitäten wie Käsekringeln; parteinahe Autoren wie Donald Trump Jr. oder Marjorie Taylor Greene signieren ihre Bücher. Drinnen, im Forum, lauschen die Delegierten zu ausgesuchten Rednern bis hin zu Trumps ältester Enkeltochter.

Wie von Hollywoodprofis inszeniert

Die Grand Old Party hat ihren Parteitag minutiös organisiert; mit Auftritten von Hulk Hogan und Tucker Carlson, Musik von Kid Rock und Josef Bruckner, mit Gewerkschaftlern und TV-Prediger, Afghanistankriegern und Weltkriegsveteranen und einem israelisch-amerikanischen Ehepaar, dessen Sohn in Geiselhaft der Hamas ist und das die Verbundenheit zwischen Israel und den USA beschwört. Eine Show wie von Hollywoodprofis inszeniert, etwas, was früher nur Demokraten konnten.

Die Partei hat sich neu erfunden, umwirbt die Arbeiter im Rustbelt, denen China unlautere Konkurrenz macht und die früh sterben, weil sie ihre Arztrechnungen nicht bezahlen können. Vorstadtkids, die Drogen nehmen, mit denen Mexiko das Land überschwemmt, alleinerziehende Mütter, für die Lebensmittel zu teuer sind und Familienväter, die sich von ihrem Gehalt kein Haus mehr leisten können. Das sind natürlich alles ernsthafte Probleme, aber die sind keineswegs erst mit ist Joe Biden aufgekommen.

Die Schuldigen: Globalisten

Trump hat neben den Demokraten noch andere Schuldige ausgeguckt: Die Globalisten. Die steckten auch hinter der Flüchtlingswelle, die Amerika bedroht. „Wir brauchen einen Präsidenten, der nicht in der Tasche von Big Business ist“, meint sein designierter Vize J.D. Vance. Der sich um die Arbeiterklasse kümmere, darum, dass in Amerika produziert werde statt in China, der nicht der Wall Street hörig sei, die die Immobilienpreise in absurde Höhen getrieben habe. Vance, der eine indischstämmige Frau hat, fügte hinzu: Jeder Amerikaner solle die gleichen Chancen haben, egal, welcher Herkunft, Religion oder Hautfarbe. Die neuen Republikaner sind farbenblind.

Im Restaurant „Iron Horse“, ein roter Ziegelbau nahe dem Bahnhof, feiert die Black Republican Mayors Association, schwarze republikanische Amtsträger aus ganz Amerika. Ehrengäste sind Richard Irvin, der Bürgermeister von Aurora, Indiana, und Tim Scott, Senator für South Carolina, der lange als Trumps Vize gehandelt wurde. Auch Irvin beschwert sich über die hohen Mieten. Daran seien auch die zehn Millionen Illegalen auf dem Wohnungsmarkt schuld: „Schwarze Kinder müssen in der Schule und bei Jobs gegen die konkurrieren, das ist unfair“, sagt er. Wer hier herkomme, müsse sich assimilieren in den American Way of Life,

Republikaner umwerben Afroamerikaner

Scott sagt, er habe früher immer gedacht, er sei der einzige schwarze Republikaner in den USA. Aber nun wisse er, er sei nicht allein. Er fordert die Rückkehr zu traditionellen Familie, etwas, was die Marxisten untergraben hätten. Schwarze Männer müssten gute Väter sein. Tatsächlich waren Afroamerikaner immer eine sichere Bank für die Demokraten, wie auch Latinos, aber die Republikaner haben nun begonnen, die zu umwerben. Die Asiaten sind ohnehin schon bei ihnen.

Moms of Liberty

In einem Theater am Parteitagsgelände treffen sich die „Moms for Liberty“. Der Frauenverein – Motto: Stop Woke – wird von der konservativen Heritage Foundation unterstützt. Sie wollen die Schulen zurückerobern. Keine Dragqueens, keine Debatten über Homosexualität, kein DEI – Diversity, Equity, and Inclusion ; also mehr schwarze und hispanische Lehrer zu einzustellen.

Eine Banjospielerin singt „God bless the USA“, dann spricht Vivek Ramaswamy, ein indischstämmiger Präsidentschaftskandidat: Familie, Nation und Gott, sagt er, seien wichtiger als Rasse, Gender und Klima. Ihm folgen Sarah Sanders, Trumps frühere Pressesprecherin und Floridas Gouverneur Ron DeSantis. DeSantis kann Erfolge vermelden. An Floridas Universitäten gebe es kein DEI mehr; Professoren mit Sympathien für die Hamas flögen raus. Er habe auch Disney, die „woke Company aus Kalifornien“, konfrontiert, die müssten nun mehr Steuern zahlen. Und Schüler dürfen nicht mehr ermuntert werden, ihr zu Geschlecht ändern.

Sanders nickt. Ihre Kinder wüssten nicht einmal, was sie zum Frühstück wollten, sagt sie. Dann sprich sie über Außenpolitik. Als sie noch für Trump arbeitete, seien beide einmal über Weihnachten in den Irak geflogen, eine Überraschung für die Soldaten. Die sprangen auf und riefen. „USA! USA! USA!“ Das sei, was Amerika wirklich bedeutete, sagt Sanders: „Soldaten, die sich opfern, sodass wir in Freiheit leben.“

Merkwürdiges Verhältnis zum Krieg

Im Irak? Außerdem hat Trump die Armee aus dem Irak abgezogen und verkauft sich als der Präsident, der keinen einzigen Krieg angefangen und einen beendet hat. Die Republikaner haben ein merkwürdiges Verhältnis zum Krieg. Vance warf Biden vor, für den Irakkrieg gestimmt zu haben, dabei ist das der Krieg von George W. Bush.

Auch heißt es überall, die Ukraine bekommt zu viel Geld. Trump wiederum glaubt, unter ihm hätte sich Putin gar nicht getraut, in die Ukraine einzumarschieren. Er könne jeden Krieg mit einem Telefonanruf beenden. Wie denn? „Trump ist dafür bekannt, dass er tut, was er sagt“, meint Richard Grenell, der Trumps Botschafter in Deutschland war. „Die wissen alle, dass er es ernst meint, wenn er droht.“

An den Abenden treffen sich die Delegierten im Plenum; viele Senatoren und Gouverneure reden. Die Partei gibt sich einheitlich: Illegale Flüchtlinge, unsichere Grenzen, kriminelle Städte, hohe Benzinpreise und überall Kriege, an alledem sei Joe Biden Schuld. Aber Trump werde mit alledem aufräumen. Und wenn er nicht gewählt wird? Jim Justice, der Gouverneur von West Virgina, hat darauf eine rasche Antwort: „Dann verlieren wir total die Kontrolle“. Eine Anspielung auf den Januar 2020.