Am Rande des Nato-Gipfels hatten das Weiße Haus und die deutsche Regierung mitgeteilt, dass erstmals seit dem Kalten Krieg wieder US-Waffensysteme in Deutschland stationiert werden sollen, die bis nach Russland reichen. Von 2026 an sollen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk mit deutlich mehr als 2000 Kilometern Reichweite, Flugabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu entwickelte Überschallwaffen für einen besseren Schutz der Nato-Verbündeten in Europa sorgen. Der Beginn der geplanten Stationierung liegt aber mehr als ein Jahr nach der US-Präsidentenwahl im kommenden November; ein möglicher Präsident Donald Trump könnte sie rückgängig machen.

„Sicherheitslücke“ geschlossen

Als Anlass der neuen Stationierung gelten der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und das insgesamt aggressive Auftreten Moskaus gegenüber den Nato- und EU-Staaten.

Die Entscheidung der US-Regierung, in Deutschland ab 2026 Langstreckenwaffen zu stationieren, schließt nach Angaben des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius eine "ernst zu nehmende Fähigkeitslücke" in Europa. Er könne sich deshalb nicht vorstellen, dass ein anderer US-Präsident die am Mittwoch bekannt gegebenen Pläne wieder revidieren würde, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag im Deutschlandfunk.

Unterstützung auf Zeit

Die zeitlich befristete Stationierung bedeute aber auch, dass damit "ganz klar die Erwartung der USA zu Recht verbunden (ist), dass wir selber investieren in Entwicklung und Beschaffung von derartigen Abstandswaffen". Die temporäre Stationierung werde Deutschland die Zeit geben, die man dafür brauche. Unter anderem wollen die USA ab 2026 Tomahawk-Marschflugkörper und noch in der Entwicklung befindliche Überschallwaffen (Hypersonic) in Deutschland stationieren.

Von den deutschen Linken und Grünen kam Kritik. Klare Zustimmung zu der deutsch-amerikanischen Vereinbarung kam aus der Kanzlerpartei SPD und der oppositionellen CDU.

Russland will militärisch reagieren

Aus Moskau kam scharfe Kritik von Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Es müssten Maßnahmen ergriffen werden, um das westliche Militärbündnis in Schach zu halten, sagte Peskow der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Das Ziel der Nato sei die Unterdrückung Russlands, und die Aktionen des Bündnisses stellten eine „ernste Bedrohung“ der nationalen Sicherheit dar.

Russland will nach Angaben des Außenministeriums militärisch auf die geplante Stationierung weitreichender US-Waffen in Deutschland reagieren. Die russische Sicherheit werde durch solche Waffen beeinträchtigt, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge in St. Petersburg. Es handle sich um "ein Kettenglied im Eskalationskurs" der NATO und der USA gegenüber Russland, sagte er.

Der für Fragen der strategischen Rüstung zuständige Vizeminister Rjabkow schloss aus, dass sich eine Entwicklung wie nach dem NATO-Doppelbeschluss zu Zeiten des Kalten Krieges wiederholen könnte. 1979 hatte das westliche Bündnis die Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen und Marschflugkörpern in Westeuropa angekündigt. Zugleich wurde Druck auf Verhandlungen mit der Sowjetunion gemacht, der letztlich zu den großen Verträgen über nukleare Abrüstung der 1980er-Jahre führte. Er könne sich nicht vorstellen, worauf die USA und Deutschland jetzt abzielten, sagte Rjabkow. "Sie können kaum darauf setzen, dass sich diese Erfahrung wiederholt. Die Lage hat sich grundlegend geändert."