Er ist seit Jahren die prominenteste Galionsfigur der französischen Linken: der 72-jährige Jean-Luc Mélenchon. Seine Partei „La France Insoumise“ („Unbeugsames Frankreich“) gehört zum linken Wahlbündnis „Neue Volksfront“, das bei der Parlamentswahl die meisten Mandate gewann. Mélenchon steht für einen großzügigen Sozialstaat, Nato- und EU-Skepsis und stellt sich außenpolitisch häufig gegen den westlichen Mainstream.
Zu seinen wichtigsten wirtschaftspolitischen Forderungen zählen ein höherer Mindestlohn, eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und eine sechste Urlaubswoche. Er will private Zusatz-Gesundheitsversicherungen auflösen lassen und in die staatliche Krankenversicherung integrieren. Mélenchon will die Obdachlosigkeit in Frankreich zur Gänze beseitigen und große Energie- und Transportunternehmen verstaatlichen. Die Pensionsreform von Präsident Emmanuel Macron lehnt er ab und will, dass das Pensionsantrittsalter wieder auf 60 zurückgesetzt wird. Zudem fordert der Linkspolitiker bis zu 90 Prozent Steuern auf die größten Einkommen und eine höhere Vermögenssteuer.
Leitartikel von Andreas Lieb
Abseits weitreichender sozialpolitischer Eingriffe setzt sich Mélenchon in den vergangenen Jahren auch stark für das Thema Umwelt und Klimaschutz ein. Er will, dass Frankreich aus der Kernkraft aussteigt und sich bis 2050 vollständig mit erneuerbaren Energien versorgt.
Video: Schwierige Regierungsbildung in Frankreich
Besonders radikal sind Mélenchons Ideen zum Umbau der französischen Verfassung: Er bezeichnet Frankreich als eine „präsidiale Monarchie“ und ist der Ansicht, das Land würde von Reichen beherrscht werden. Deswegen will er eine neue Verfassung und ein Zweikammerparlament, das über der Judikative steht sowie strenge Gesetze gegen Lobbyisten und Korruption.
Außenpolitisches Anecken
Der 72-Jährige wird immer wieder scharf für seine außenpolitischen Positionen kritisiert. Nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober zeigte Mélenchon hauptsächlich Solidarität mit den Palästinensern im Gaza-Streifen, weshalb ihm mehrmals „Antisemitismus“ vorgeworfen wurde. Zudem sorgte er immer wieder mit Kritik an Deutschland für Aufsehen. Als entschiedener Gegner der Austeritätspolitik gegenüber Griechenland schoss er scharf gegen die damalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Als sie auch Frankreich im Jahr 2014 zu fiskalischen Reformen aufrief, schrieb Mélenchon in einem Tweet: „Maul zu, Frau Merkel. Frankreich ist frei!“
Er hegt hingegen Sympathie für lateinamerikanische Sozialisten wie Venezuelas Ex-Präsident Hugo Chávez und den ehemaligen kubanischen Staatspräsidenten Fidel Castro und ist der Meinung, Frankreich würde zu sehr auf die USA hören. Vor dem russischen Krieg gegen die Ukraine zeigte sich Mélenchon klar russlandfreundlich. Er verurteilte zwar Putins Angriff, steht aber gleichzeitig für einen französischen Nato-Austritt. Er fordert Friedensverhandlungen mit Russland und ein Ende der Militärhilfe für Kiew.
Streben nach dem Élysée-Palast
Jean-Luc Mélenchon versucht seit 2012, Präsident von Frankreich zu werden. Bei jedem Wahlgang konnte er seither zulegen: 2012 kam er auf elf Prozent, 2017 lag er bei knapp 20 Prozent, 2022 bei 22 Prozent. Zwischenzeitlich sah es sogar so aus, als könne er gegen Macron in die Stichwahl einziehen.
Der ehemalige Kommunist und spätere Mitstreiter von Präsident François Mitterrand war lange in dessen sozialistischer Partei aktiv, bis er im Jahr 2008 austrat und mit anderen Abtrünnigen eine linke Sammlungspartei „Parti de Gauche“ („Linkspartei“) gründete. Für die Präsidentschaftswahl 2017 schuf sich Mélenchon dann eine eigene politische Bühne und gründete seine Partei „La France Insoumise“ („Unbeugsames Frankreich“). Sie trat gemeinsam mit anderen Linksparteien in einem Bündnis an, dessen Kandidat Mélenchon war.
Anders ist es bei dem Linksbündnis „Neue Volksfront“, das die Parlamentswahl am vergangenen Sonntag gewann. Es steht nicht unter der Führung von „La France Insoumise“ und Mélenchon ist weder sein Anführer noch sein Spitzenkandidat. Er ist als nächster französischer Premierminister im Gespräch, stößt aber bei einigen Parteien innerhalb des Linksbündnisses auf Ablehnung.