Es waren komplizierte Verhandlungsrunden, die sich über mehr als ein halbes Jahr zogen. Nach dem Sieg des radikal-rechten Populisten Geert Wilders bei der niederländischen Parlamentswahl ist heute die am weitesten rechtsstehende Regierung in der Geschichte des Landes vereidigt worden. Er selbst ist jedoch nicht Teil der Regierung. Neuer Ministerpräsident der Niederlande ist der parteilose ehemalige Chef des Geheimdienstes und der Anti-Terrorismusbehörde Dick Schoof.

Der neue niederländische Ministerpräsident Dick Schoof
Der neue niederländische Ministerpräsident Dick Schoof © www.viennareport.at

Wie der 67-jährige Schoof verfügen auch die meisten anderen Kabinettsmitglieder kaum über Regierungserfahrung. Auch deshalb gilt das neue Bündnis als potenziell instabil. Allein die rechts-liberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) von Rutte kann auf praktische Erfahrungen aus einer langjährigen Regierungsbeteiligung in verschiedenen Koalitionen zurückgreifen.

Die Koalition besteht aus vier Parteien: Wilders‘ rechtspopulistischer PVV, der rechtsliberalen VVD (der auch der scheidende Ministerpräsident Mark Rutte angehört), dem christlich-sozialen NSC sowie der rechten Bauernbewegung BBB.

In einer Zeremonie legten die Minister und Staatssekretäre am Dienstag im Residenzschloss Huis ten Bosch bei Den Haag vor König Willem-Alexander wahlweise den Eid (“so wahr mir Gott, der Allmächtige, helfe“) oder ein entsprechendes weltliches Gelöbnis ab.

PVV: Hoher Preis für Regierungsbeteiligung

Zu weiten Teilen wird die Vier-Parteien-Koalition von Wilders kontrolliert, obwohl er selbst nicht dazugehört. Seinen Amtsverzicht hatten die neuen Bündnispartner der von Wilders geführten Partei für die Freiheit (PVV) zur Bedingung für ihre Regierungsbeteiligung gemacht. VVD und NSC verlangten zudem weitere Zugeständnisse: So musste Wilders in den monatelangen Koalitionsverhandlungen nicht nur auf den Posten des Regierungschefs verzichten, sondern auch seine radikalsten rechtspopulistischen und islamfeindlichen Forderungen auf Eis legen - darunter solche nach dem EU-Austritt der Niederlande (“Nexit“) und nach dem Verbot des Korans.

Mit Argwohn wird bei der EU-Kommission in Brüssel - ebenso wie in Berlin, Paris und anderen Hauptstädten - beobachtet, welche Folgen der starke Rechtsruck in Den Haag für Europa haben wird. Bisher hatte das Land zu den stärksten Stützen der EU gehört. Nun aber wird unter anderem für möglich erachtet, dass die Niederlande aus dem EU-Asylpakt ausscheren könnten, der neben Asylverfahren an den Außengrenzen der Union eine gleichmäßigere Verteilung von Migranten auf die Mitgliedstaaten vorsieht. Die neue Koalition will erklärtermaßen die strengste Asylpolitik in ganz Europa betreiben und Zuwanderung drastisch einschränken.

Klimaschutz auf der Kippe

Differenzen mit anderen EU-Mitgliedern zeichnen sich auch hinsichtlich der Klimapolitik ab, insbesondere bei der Umsetzung des „Green Deal“. Die BBB, die auf die Unterstützung der Landwirte angewiesen ist, fordert erhebliche Lockerungen bei den Umweltauflagen. Streit könnte es zudem über die Höhe des niederländischen EU-Beitrags geben.

Welche Ziele die neue Regierung in Den Haag ganz konkret anstreben will, wird sich allerdings erst in den kommenden Wochen zeigen. Bisher gibt es nur eine Koalitionsvereinbarung, in der Pläne grob skizziert sind. Es könnten nach Einschätzung von Kommentatoren noch erhebliche politische Unterschiede zutage treten. Auf EU-Ebene ist die PVV im Rahmen der Europapartei „Identität und Demokratie“ (ID) mit der FPÖ verbündet.