Vor der Sheba-Tel-HaShomer-Klinik in Ramat Gan war die Freude den Menschen ins Gesicht geschrieben. Familienangehörige und Freunde, die große Porträtfotos ihrer Liebsten mitgebracht hatten, schwenkten ausgelassen Israel-Fahnen, dazwischen wurde immer wieder geklatscht oder mit nach oben gestreckten Händen laut gejubelt.

Nur kurz davor hatten israelische Armeehubschrauber die vier am Samstag aus den Händen der islamistischen Hamas befreiten Geiseln in das Krankenhaus in der westisraelischen Stadt gebracht. Laut Armeesprecher Daniel Hagari waren die drei Männer und die 25-jährige Frau nach 246 Tagen aus zwei verschiedenen Gebäuden im Gazastreifen gerettet worden. „Die Mission war komplex und hochriskant“, sagte Hagari. „Aber allen vier geht es gut.“

Hagari zufolge waren die israelischen Sondereinsatzkommandos unter Feuer gekommen, als sie die von Hamas-Kämpfern bewachten Gebäude im Flüchtlingsviertel Nuseirat gestürmt hatten. Die israelische Luftwaffe hatte die lange geplante Befreiungsaktion mit Kampfflugzeugen unterstützt, Anwohner berichteten von einem intensiven Bombardement und vielen Toten und Verletzten durch die Luftschläge.

Die Geiseln waren am 7. Oktober von Hamas-Terroristen vom Nova-Musikfestival in den Gazastreifen verschleppt worden. Vor allem das Schicksal von Noa Argamani, die von Kämpfern auf einem Motorrad entführt wurde und dabei verzweifelt weinend um Hilfe rief, hatte Israel in den vergangenen Monaten tief bewegt. Die Mutter der jungen Frau leidet an Krebs im Endstadium, sie hatte immer wieder darum gebeten, ihre Tochter vor ihrem Tod noch einmal sehen zu dürfen.

Offenbar unter dem Eindruck der Geiselbefreiung sagte der israelische Minister Benny Gantz eine für Samstag geplante Pressekonferenz ab, bei der sein Rückzug aus dem Kriegskabinett von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erwartet wurde. Gantz hatte Netanjahu im Mai aufgefordert, bis zum 8. Juni einen Plan für Israels Vorgehen nach einem Ende des Gazakriegs vorzulegen. Anderenfalls werde sich seine zentristische Partei aus der Notstandsregierung zurückziehen. Der Ex-Verteidigungsminister und frühere Armeechef hatte nach dem Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober die Oppositionsrolle zurückgestellt und war dem israelischen Kriegskabinett als Minister ohne Ressort beigetreten. Umfragen zufolge hätte Gantz derzeit gute Chancen, Netanjahu im Amt abzulösen, sollte die Regierung auseinanderbrechen und es zu vorgezogenen Neuwahlen kommen. Seine Partei hatte bereits vergangene Woche einen Gesetzesentwurf zur Auflösung des israelischen Parlaments vorgelegt und Neuwahlen gefordert.