Nach dem brutalen Angriff auf den SPD-Europapolitiker Matthias Ecke gibt es einen weiteren Ermittlungserfolg. Drei weitere junge Männer zwischen 17 und 18 Jahre konnten als Täter ausgeforscht werden. Bei Wohnungsdurchsuchungen wurden Beweismittel sichergestellt, die jetzt ausgewertet werden. Bis zum Abschluss der Ermittlungen werde es aber noch dauern, teilten das Landeskriminalamt Sachsen und die Staatsanwaltschaft Dresden am Montag mit. Die Hintergründe der Tat sind aber weiter unklar.
Bereits am Sonntag hatte sich ein 17-Jähriger als einer der insgesamt vier gesuchten Täter gemeldet. Der Jugendliche war zuvor nicht polizeilich in Erscheinung getreten. Die sächsische Polizei erklärte am Sonntagabend im Onlinedienst X, dass sich der 17-Jährige bisher "nicht zum Tatmotiv geäußert habe". Zeugen zufolge seien sie dunkel gekleidet gewesen, hatte ein Polizeisprecher gesagt. Ein Zeuge habe sie dem rechten Spektrum zugeordnet.
Die vier jungen Männer sind 17 beziehungsweise 18 Jahre alt. Das LKA Sachsen rechnet zumindest einen der Tatverdächtigen des Angriffs dem rechten Spektrum zu. Man gehe davon aus, dass er der „Kategorie politisch-motiviert rechts“ zuzuordnen sei, teilte eine Sprecherin des LKA am Montag mit. Da keine Haftgründe vorliegen, befinden sich die vier Männer auf freiem Fuß, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte.
Debatte um Gewalteskalation im Wahlkampf
Der Angriff auf den Dresdner SPD-Europaabgeordneten Ecke beim Aufhängen von Wahlplakaten hat deutschlandweit für Entsetzen gesorgt und eine Debatte über die Eskalation von Gewalt im Wahlkampf ausgelöst. In Dresden und Berlin demonstrierten am Sonntag mehrere tausend Menschen für Demokratie und gegen Gewalt. Vor dem Brandenburger Tor in Berlin fand am Sonntagabend eine Kundgebung unter dem Motto "Haltung zeigen gegen Hass und Gewalt: Unsere Demokratie lässt sich nicht einschüchtern!" statt.
In Berlin nahmen mindestens 2000 Menschen teil, wie eine Reporterin der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Eine Sprecherin der Berliner Polizei sprach von einer Teilnehmerzahl im "unteren vierstelligen Bereich". Zu den Teilnehmern gehörten Politiker wie SPD-Chef Lars Klingbeil, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Grünen-Chefin Ricarda Lang.
Klingbeil machte die AfD mitverantwortlich für das Klima der Gewalt. AfD-Politiker wie der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke und die Bundespartei-Chefin Alice Weidel hätten zwar "nicht direkt zugeschlagen", sagte er vor den Demonstrierenden. "Aber ich sage euch, die haben das gesellschaftliche Klima in diesem Land mitproduziert, dass andere Menschen dazu bringt, auf Ehrenamtliche, auf Aktivisten, auf Politiker und Politiker einzuschlagen." Auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) fand deutliche Worte: „Erst kommen vergiftete Gedanken, dann kommen vergiftete Taten, und das Ergebnis ist immer Hass und Hetze und irgendwann Gewalt. Daher: Wehrt denn Anfängen“.
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier appellierte an alle, die politische Auseinandersetzung friedlich und mit Respekt zu führen. Der SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl sprach auf X (vormals Twitter) von einem „feigen und brutalen Übergriff“ auf seinen „deutschen Genossen“.
Sorge: „Gibt es bald Tote?“
Eine 65-jährige Demonstrantin sagte, es sei ihr "wichtig, etwas dagegen zu tun, dass dieser Hass so die Leute überschwemmt, die Menschen und alles bestimmt". Dies dürfe "einfach nicht sein". Ähnliche Worte fand eine weitere Demonstrantin, wie im Ö1 Morgenjournal zu hören: „Die Sache in Dresden, die erschüttert einen, wie so vieles andere auch. Es ist einfach total notwendig, dass wir auf die Straße gehen.“ Ein Teilnehmer äußerte gar die Sorge, „gibt es bald Tote“?
In Dresden versammelten sich nach einem Aufruf von Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen etwa 3000 Demonstrierende im Stadtzentrum, wie ein Polizeisprecher sagte. Auf der Rednerliste standen unter anderem Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU), SPD-Chefin Saskia Esken und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne).
Verdächtige in weiteren Angriff verwickelt?
Der SPD-Politiker Ecke war am Freitag beim Aufhängen von Wahlplakaten in Dresden von vier Tätern angegriffen und dabei nach Parteiangaben so schwer verletzt worden, dass er operiert werden musste. Der 41-Jährige habe einen Bruch des Jochbeins und der Augenhöhle sowie Hämatome im Gesicht erlitten, sagte Sachsens SPD-Chef Henning Homann. Die Attacke sorgte parteiübergreifend für Bestürzung. Die Ermittlungen übernahm der polizeiliche Staatsschutz.
Kurz vor dem Angriff auf Ecke war in Dresden zudem ein 28-Jähriger angegriffen und verletzt worden, der für die Grünen Wahlplakate anbrachte. Laut Polizei handelt es sich mutmaßlich um dieselbe Gruppe, die danach den SPD-Politiker Ecke attackierte. Erst am Freitag war ein Angriff auf zwei Grünen-Politiker im nordrhein-westfälischen Essen bekannt geworden - auf den Bundestagsabgeordneten Kai Gehring und Rolf Fliß, den dritten Bürgermeister von Essen. Fliß war bei dem Vorfall am Donnerstagabend ins Gesicht geschlagen und leicht verletzt worden.