Es gibt die AfD in zwei Aggregatzuständen. Das ließ sich auch Donnerstagabend beobachten. Da trafen der thüringische AfD-Frontmann Björn Höcke und Mario Voigt, CDU-Fraktionschef im Erfurter Landtag, im Fernsehduell aufeinander. Und der AfD-Mann gab den doppelten Höcke. Vom thüringischen Verfassungsschutz wird der Politiker als rechtsextrem eingestuft. So gibt er sich auch gern vor der Anhängerschaft nach innen. So empfahl Höcke der damaligen Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz (SPD) vor sechs Jahren in sehr unfreundlichen Worten, sie möge Deutschland verlassen. In der TV-Runde mochte er sich an die Worte nicht mehr erinnern. Er könne sich nicht sagen, „in welchem Kontext das Zitat steht“, erwiderte er. Höcke gab den ewig Missverstandenen.
Voigt braucht Höckes Wähler
Im weiteren Verlauf der Fernsehdebatte gab es den zweiten Björn Höcke zu sehen. Angesprochen auf das Potsdamer Treffen von AfD-Mitgliedern und Sympathisanten und dort erörterten Plänen zur Remigration von Migranten, interpretierte er den Begriff flugs neu. Remigration bedeute die Rückkehr von ausgewanderten Deutschen, ließ Höcke verlauten. Höcke, der ewige Umdeuter.
Viel war vor der Runde über die Debatte diskutiert worden. In Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt. Die AfD liegt in Umfragen bei dreißig Prozent und drüber, Linkspartei und CDU kommen auf um die zwanzig Prozent. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) lehnt eine Debatte mit Höcke ab, der weit weniger bekannte CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt muss die Auseinandersetzung suchen. Einmal, weil er Wähler zurückgewinnen will. Zum anderen, um seinen Bekanntheitsgrad zu steigern.
Viele hatten Voigt von dem Duell abgeraten. Gegen die AfD könne man nur verlieren. Wo andere auf Argumente setzen, setzt die AfD auf Emotionen. Die aber hatte überraschenderweise Höcke nicht im Griff. Er wirkte seltsam aufgeregt. Auch an eigene Wortspiele mit NS-Zitaten mochte er sich nicht erinnern. Davon habe er nichts gewusst. Geht so als Erklärung für einen ausgebildeten Geschichtslehrer.
Der CDU-Politiker Voigt punktete ausgerechnet auf dem ureigenen Feld der AfD: Heimat. Wie denn eine Semmel mit Hackepeter in Thüringen heiße, lautete die Frage in die Runde. West-Import Höcke sprach von Mettbrötchen. Gehacktes konterte der Thüringer Voigt. Punktsieg. Nicht nur an der Fleischtheke.
Punktsieg. Nicht nur an der Fleischtheke
In der Debatte auf dem Spartensender „Welt TV“ ging es weniger um Thüringer als um die große Weltpolitik. Höcke will Deutschland raus aus der EU führen. „Gift“ sei das für das exportorientierte Deutschland, entgegnete Voigt. Zu Russlands Überfall auf die Ukraine erklärte Höcke: „Dieser Krieg muss sofort beendet werden.“ Von der Ukraine! So einfach ist die Welt der AfD.
Höcke warb vor der Kamera emsig um Voigt und die CDU. Der aber setzte auf Abgrenzung. „Sie sind nicht bürgerlich. Sie sind völkisch. Ich bin demokratisch. Sie sind autoritär“, schleuderte er Höcke entgegen. So deutlich hat die Brandmauer in Thüringens Union noch niemand hochgezogen.
Das ostdeutsche Land an der Grenze zu Hessen und Bayern war vor vier Jahren in die Debatte geraten. Nach der letzten Landtagswahl wurde der FDP-Mann Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt – mit den Stimmen von Union und AfD. Die Empörung war groß. Nach einem Tag war Kemmerichs Herrschaft beendet. Jetzt betonte CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt schon vor der Wahl: „Was ich sicher sagen kann, mit diesen völkischen Rändern von Herrn Höcke werde ich nicht zusammenarbeiten.“ Schon für diese Klarstellung hat sich der Abend gelohnt.