„Wir bitten unsere Verbündeten, dass sie Zugang zu politischen Gefangenen fordern“, sagte die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja nach einem Treffen mit Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) der APA. Sie hoffe, dass nach dem Tod von Alexej Nawalny dieses Thema wieder an Stellenwert gewinnt. Am Donnerstagnachmittag wird die Politikerin dazu noch bei einer Spezialdebatte der Wintertagung der OSZE-Parlamentarierversammlung sprechen.

„Die Ermordung von Nawalny muss Folgen haben, denn sonst bedeutet das grünes Licht für das weitere Töten von politischen Gegnern“, erklärte Tichanowskaja. In belarussischen Gefängnissen seien bereits fünf politische Häftlinge zu Tode gekommen, sie selbst habe seit einem Jahr nichts mehr von ihrem inhaftierten Gatten Sergej Tichanowski gehört. „Ich weiß eigentlich gar nicht, ob er lebt oder nicht mehr lebt“, klagte die Politikerin. Derzeit seien politische Gefangene für den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko kein Problem, die Aufgabe der Opposition sei es, dass sie zum Problem würden.

Schleichende Übernahme durch Russland

„Wir haben die in Belarus weiterhin anhaltende und sich sogar verschlimmernde Unterdrückung und Verfolgung von Zivilistinnen und Zivilisten nie vergessen. Politische Gefangene müssen sofort, ohne Wenn und Aber, freigelassen werden“, erklärte laut einer Presseaussendung seinerseits Außenminister Schallenberg im Anschluss an sein Treffen mit Tichanowskaja. Er kritisierte gleichzeitig eine „schleichende Übernahme Belarus“ durch Russland und sprach in diesem Zusammenhang von einer „brandgefährlichen Entwicklung“.

Tichanowskaja hatte am Vormittag zunächst die „Gruppe der Freunde des demokratischen Belarus in der OSZE“ in der schwedischen Botschaft in Wien-Alsergrund getroffen. Nach ihrem Beitrag bei den OSZE-Parlamentariern in der Hofburg sollte sie am Abend auch noch Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zu einem informellen Gespräch treffen.

Tichanowskaja hatte bei der belarussischen Präsidentschaftswahl 2020 anstatt ihres inhaftierten Mannes Sergej Tichanowski gegen Machthaber Lukaschenko kandidiert. Nach der von massiven Betrugsvorwürfen überschatteten Wahl beanspruchte der seit 1994 herrschende Lukaschenko den Sieg für sich. Es folgten Massenproteste, an denen sich hunderttausende Menschen beteiligten. Lukaschenko ließ die Proteste gewaltsam niederschlagen. Zahlreiche Oppositionelle flohen ins Ausland, darunter auch Tichanowskaja, die seitdem international als die Anführerin der Opposition gegen Lukaschenko gilt. Sie wurde in Belarus in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt.