Der palästinensische Außenminister Riyad al-Maliki hat Israel Völkermord im Gazastreifen und eine Apartheidpolitik gegen die Palästinenser vorgeworfen. Maliki erhob die Anschuldigungen am Montag vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag zu Beginn der eine Woche dauernden Anhörungen zur israelischen Besatzungspolitik im besetzten Westjordanland und Ostjerusalem. „Dies weiterhin zuzulassen, ist inakzeptabel“, sagte Maliki.

„Es ist eine moralische und rechtliche Verpflichtung, dem ein schnelles Ende zu setzen“, fügte er hinzu. Die UNO-Generalversammlung hatte den Gerichtshof im Jahr 2022 um ein beratendes und nicht bindendes Gutachten zur Besatzungspolitik gebeten. Israel hält das Westjordanland seit 1967 besetzt und hat dort den Siedlungsbau über die Jahrzehnte vorangetrieben. Es wird erwartet, dass sich die Richter mehrere Monate Zeit nehmen werden, bevor sie ein Gutachten vorlegen. In einem weiteren - davon unabhängigen - Verfahren hat Südafrika Israel wegen des Vorwurfs des Völkermords an den Palästinensern im Gazastreifen verklagt.

Absperrungen bis heute

Israel hat solche Stellungnahmen in der Vergangenheit ignoriert. Im Juli 2004 befand der Gerichtshof, dass die israelischen Absperrungen im Westjordanland gegen das Völkerrecht verstoßen und abgebaut werden sollten. Sie stehen aber bis heute. Das Gutachten könnte den politischen Druck auf Israel angesichts des andauernden Krieges im Gazastreifen erhöhen. Nach dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden im Gazastreifen mehr als 29.000 Palästinenser getötet worden.

Grundlage des Internationalen Gerichtshofs ist die Völkermordkonvention von 1948, die die UNO-Generalversammlung als Reaktion auf den Holocaust verabschiedete. Zugang zu dem Gericht haben nur Vertragsstaaten. 124 Staaten sind dem Statut beigetreten. Die Vereinten Nationen hatten Palästina 2012 den Status als Beobachterstaat eingeräumt. Von 193 UN-Mitgliedsstaaten haben bisher 139 Palästina als unabhängigen Staat anerkannt.

Gaza-Krieg kein Thema

Insgesamt beteiligen sich 52 Staaten und drei internationale Organisationen an der auf sechs Tage angesetzten Anhörung - eine Rekordzahl in der Geschichte des Gerichts. Israel selbst will nicht das Wort ergreifen, aber schriftlich Stellung nehmen. Bis das Gutachten vorgelegt wird, kann es Monate dauern.

Bei dieser Anhörung geht es nicht um den aktuellen Krieg im Gazastreifen, sondern die Besatzung beziehungsweise Kontrolle Israels über das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem. Die Anhörung ist auch losgelöst vom Völkermord-Verfahren, das Südafrika gegen Israel wegen des Gaza-Krieges angestrengt hatte. In diesem Verfahren hatten die höchsten Richter Ende Jänner in einem Zwischenentscheid Israel aufgetragen, alles zu tun, um Tod, Zerstörung und Völkermord im Gazastreifen zu verhindern. Israel wies die Vorhaltungen Südafrikas zurück.

Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute inmitten drei Millionen Palästinensern rund 700.000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.